Wieso muss die Kunst als Neuigkeit auf Dauer an sich selbst unglücklich werden? Zwei Quellen wissen Rat:
Möglicherweise ist die Postmoderne nichts anderes als das, was von den Dächern tönt, wenn Spatzen, die bisher den Schnabel gehalten haben, plötzlich nicht mehr einsehen, warum sie ihn länger halten sollten, und nun dieses Nicht-Einsehen als neuesten Trend von den Dächern pfeifen. [...] Wenn der Schock Schulfach wird, wenn Kunststudenten im Proseminar Dada üben und die Akademie als Diplomsurrealisten verlassen, so hat sich ein tragendes Prinzip des Modernismus endogen erschöpft. Die postmoderne Indifferenz gegen gewisse Axiome der modernistischen Sprödigkeit ist darum prozeßlogisch korrekt und keineswegs nur die Preisgabe einer älteren Radikalität zugunsten einer Neuen Gefälligkeit. [...] Nicht zufällig haben die Werke der Gegenwart häufig relativierende Attribute um sich, sie werden leiser, fungibler, weniger epatant, biographischer, subkultureller, ironischer gegen Genialismus, skeptischer gegen Wirkung sowie Wirkungsverweigerung.
Lange bevor aber Demokratie immer neue Wahlen vorschreibt und lange bevor Individuenschicksale von Herkunft (als Maßstab) auf Karrieren umgestellt werden, kann die gesellschaftsstrukturell eher harmlose Kunst bereits auf Immer-neu-sein setzen. Aber wie macht sie das, wie kann sie selbst das Neuheitsgebot aushalten? Und wie kommt man, wenn schon die bloße Irritation und Provokation gefällt, dann zu Kriterien, die es ermöglichen, auch Neuerungen noch als mißlungen abzulehnen? [...] Je weniger man überzeugt sein kann, daß das Neue eines Kunstwerks auf einer aufsteigenden Linie etwas Besseres sei, das die Vorgängerkunst übertrifft, desto näher liegt es, Neuheit nur noch als Provokation der Gesellschaft anzulegen. Und da Provokation sich nicht wiederholen läßt, muß man immer neue Provokationen ersinnen, bis ein Zustand der Gewöhnung eintritt mit der Folge, daß die Gesellschaft sich durch Provokationen nicht mehr provozieren läßt. Auch diese Kunst ist daher heute nicht mehr möglich. Und selbst wenn die Klassiker der Provokation heute leben würden, würden sie es heute nicht mehr tun.
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