Systemskizze

[letzte tübinger]
Es ist ein sehr gutes Zeichen, wenn die harmonisch Platten gar nicht wissen, wie sie diese stete Selbstparodie zu nehmen haben, immer wieder von neuem glauben und mißglauben, bis sie schwindlicht werden, den Scherz gerade für Ernst, und den Ernst für Scherz halten
(Schlegel, Kritische Fragmente)
Ich bin jemand der zu Fremden freundlich ist.
(Retrogott)

Die freundliche Ironie ist ein ernstes Geschäft. Die freundliche Ironie ist eine Methode, keine Weltanschauung. Sie verlacht nicht, sie entzieht ihren Gegenständen die Realität (d.i. Sachhaltigkeit). Ihr Ernst ist ihr Anspruch, keine Abschlüsse zuzulassen. Die freundliche Ironie versteht sich selbst als letzte und universelle Kritik und setzt sich damit jeder positiven Beobachtung oder Theorie entgegen. Indem sie die konventionellen Markierungen zwischen Ernst und Unernst verwischt, ihren permanenten Drang zur Selbstverschleierung, nötigt sie ihre Beobachter ihrerseits zur Sortierung der Stellungnahmen und stellt dadurch die Möglichkeit der Positionierung als solche aus.
Der Dadaist liebt das Außergewöhnliche, ja das Absurde. Er weiß, daß sich im Widerspruche das Leben behauptet und daß seine Zeit wie keine vorher auf die Vernichtung des Generösen abzielt. Jede Art Maske ist ihm darum willkommen. Jedes Versteckspiel, dem eine düpierende Kraft innewohnt.
(Hugo Ball, Die Flucht aus der Zeit, 1927)


Ihr spezifisches Vorgehen schuldet sie dabei so sehr der antiken Sophistik wie Systemtheorie und Dekonstruktion. Die freundliche Ironie arbeitet partisanisch (manche sagen: "parasitär") und ähnelt darin eher einer strategisch-kriegerischen Aktion als gelassen-beobachtender Theorie.

Sie überlässt das Feld diskursiver Objektivitätsanmut- und -maßungen deren sozio-pragmatischen Gewährsprozessen (Wissenschaft, Recht, etc.) und richtet sich selbst ein in einer Geste der rückhaltlosen Entwiderständigung. Damit ist die freundliche Ironie in ihrem Kern politisch.

Um bei ihrem Geschäft optimistisch zu bleiben, schaltet sie sich selbst die Theorie „Performativer Transformation“  (auch: "Theorie der kleinsten Schritte") voran, die in ihrem Kern äquivalent ist mit der Hoffnung, dass Veränderung möglich ist. Die freundliche Ironie identifiziert keine Identifikation, von der sie sich noch abgrenzen könnte. Sie ist sich ihrer systemischen Mitverschworenheit immer schon bewusst, sofern sie überhaupt Unterschiede macht und Abschlüsse vortäuscht, wo sie nur Anschlüsse kennt. In ihrer chiffrierenden Beweglichkeit bewahrt sie dabei den Glauben an die Fähigkeit der Theorie, durch Faszination zu bewegen und den Dingen auf ihren eigenen Umwegen näher zu kommen, als sie es ohne diese könnte.