Samstag, 2. Juli 2011

Peter Fuchs: "Dionysos tanzt im System, wenn es nicht mehr um Informationen geht."


Ein funktionales Äquivalent für die "Trunkenheit" psychischer Systeme sucht Peter Fuchs - mit systemtheoretischer Nüchternheit und dem gewohnten Feingefühl für besonders plastische Störungs-Metaphern - für die Sozialsysteme. Ergebnis: Religiöse Feste, Feuerzeugschwenken bei Musik-Konzerten, das Singen von Nationalhymnen.

Die ersten zwei Theorie-Shots gibts hier frei Haus (trinkfesteres Bewusstsein zieht sich hier die ganze Palette mit anschließendem Re-Entry rein):

"Damit wäre dann ‚Trunkenheit’ ein Phänomen struktureller Kopplung. Man müßte nicht sagen, daß das Sozialsystem einer Berauschung unterworfen wäre, sondern nur, daß es seine Strukturen einstellt auf vorübergehende (mitunter festlich-fevrile) Belastungen durch seine Umwelt. Die soziale Autopoiesis bliebe unberührt, denn sie kann (als Unkörper oder ‚Unjekt’) nicht stammeln, lallen, berauscht salbadern oder in trunkene Melancholie verfallen, da sie nicht einmal (mangels entsprechend eingerichteter Sinnesorgane) wahrnimmt, daß dies alles geschieht. Das einzige ‚Material’, das sie zur Verfügung hat, sind die Kommunikationen, die sie selbst herstellt, und keine Kommunikation der Welt (wenn es denn überhaupt singuläre Operationen gäbe) kann trunken sein."

"Wir wollen sagen, daß dieses Management der Anschlußselektivität durch Drogen (oder einschlägige Psycho-Techniken) gestört werden kann. Vielleicht ist es so (aber das ist nicht mein Fachgebiet), daß das neuronale System nicht mehr punktgenau passende ‚Hirnereignisse’ zur Verfügung stellt, daß es nicht die ‚gewohnten’ neuronalen ‚Fakten’ bereitstellt, deren sinn-benutzende Interpretation in gewisser Weise die Psyche ist. Der neuronale ‚Unterbau’ begönne zu rauschen, das psychische System würde in eine Erosion oder Verwaschung seiner Anschlußselektivität verfallen. Es würde temporal ‚straucheln’ oder ‚verstolpern’. Es wäre, wenn man eine Metapher aus der Musik aufgreift, nicht mehr ‚partiturfest’."

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