Dienstag, 14. Februar 2012

Schaurig wie ein Knochengerippe, musikalisch wie eine Rolltreppe: Die Stunde der wahren Metapher


Aus Heideggers Die Frage nach der Technik:
Ge-stell heißt das Versammelnde jenes Stellens, das den Menschen stellt, d.h. herausfordert, das Wirkliche in der Weise des Bestellens als Bestand zu entbergen. Ge-stell heißt die Weise des Entbergens, die im Wesen der modernen Technik waltet und selber nichts Technisches ist. Zum Technischen gehört dagegen alles, was wir als Gestänge und Geschiebe und Gerüste kennen und was Bestandstück dessen ist, was man Montage nennt. 
Nach der gewöhnlichen Bedeutung meint das Wort »Gestell« ein Gerät, z.B. ein Büchergestell. Gestell heißt auch ein Knochengerippe. Und so schaurig wie dieses scheint die uns jetzt zugemutete Verwendung des Wortes »Gestell« zu sein, ganz zu schweigen von der Willkür, mit der auf solche Weise Worte der gewachsenen Sprache mißhandelt werden.

3 Kommentare:

  1. "Zwischen den epochalen Gestalten des Seins und der Verwandlung des Seins ins Ereignis steht das Ge-stell. Dieses ist gleichsam eine Zwischenstation (...). Es kann nämlich noch gleichsam als eine Fortführung des Willens zum Willen, mithin als eine äußerste Ausprägung des Seins verstanden werden. Zugleich ist es aber eine Vorform des Ereignisses selbst. (...)
    In der Tat können jedoch Denken und Erfahren nicht in der Art einer Alternative gegeneinandergestellt werden. Was im Seminar geschehen ist, bleibt ein Versuch einer Vorbereitung des Denkens, also des Erfahrens. (...)
    So bleibt das Entwachen in das Ereignis zwar etwas, das erfahren werden muß, als solches aber gerade etwas, das notwendig verbunden ist mit dem Erwachen aus der Seinsvergessenheit zu ihr. Es bleibt also zunächst ein Geschehnis, das gezeigt werden kann und muß. (...)
    Daß das Denken im Stadium der Vorbereitung ist, besagt nicht, daß die Erfahrung anderen Wesens sei als das vorbereitende Denken selbst. Die Grenze des vorbereitenden Denkens liegt anderswo."

    (S)Mart Heydegger, Zur Sache des Denkens, 3. Aufl., Tübingen 1988, S. 56 f.

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  2. Dazu, aus einem Brief an einen Studenten:

    "Zu den seltsamen Erfahrungen, die ich mit meinem Vortrag mache, gehört auch die, daß man mein Denken danach befragt, woher es seine Weisung empfange, gleich als ob diese Frage nur gegenüber diesem Denken nötig sei. Dagegen läßt sich niemand einfallen zu fragen: woher hat Platon die Weisung, das Sein als idea zu denken, woher hat Kant die Weisung, das Sein als das Transzendentale der Gegenständlichkeit, als Position (Gesetztheit) zu denken?
    Aber vielleicht läßt sich eines Tages die Antwort auf diese Fragen gerade denjenigen Denkversuchen entnehmen, die wie die meinen sich als gesetzlose Willkür ausnehmen. Ich kann Ihnen, was Sie auch nicht verlangen, keine Ausweiskarte liefern, mit deren Hilfe das von mir Gesagte als mit »der Wirklichkeit« übereinstimmend jederzeit bequem ausgewiesen werden könnte.
    Alles ist hier Weg des prüfend hörenden Entsprechens. Weg ist immer in der Gefahr, Irrweg zu werden."

    (MH, Das Ding)

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  3. Also gut: (S)Mart Heydegger, Zur Sache des Denkens, 3. Aufl., Tübingen 1988, S. 9, 41, 79.

    'Wenn Platon das Sein als idéa und als koinonía der Ideen vorstellt, Aristoteles als enérgeia, Kant als Position, Hegel als den absoluten Begriff, Nietzsche als Willen zur Macht, dann sind dies nicht zufällig vorgebrachte Lehren, sondern Worte des Seins als Antworten auf einen Zuspruch, der in dem sich selber verbergenden Schicken, im 'Es gibt' spricht. (...)
    Die dritte Stunde, am zweiten Tag, begann mit einigen Hinweisen. Die Schwierigkeit beim Hören oder Lesen des Vortrags gehe in einer eigentümlichen Weise mit der Einfachheit Sache, wovon die Rede ist, zusammen. Wichtig sei deshalb vor allem, in die Einfachheit des Blickes zu gelangen.
    Der Ausdruck 'Sache', 'Sache des Denkens', der im Vortrag mehrfach vorkomme, bedeute, ausgehend vom alten Wortsinne (Sache = Rechtsfall, Rechtsstreit), den Streitfall, das Strittige, das, worum es sich handelt. Die Sache sei so für das noch unbestimmte Denken das zu Denkende, von woher es seine Bestimmung empfange (starkes Husten auf den frisch renovierten Mitdenker-Rängen).
    Auf die mehrfach berührte Vorläufigkeit des Denkens Heideggers könne mit der gebotenen Vorsicht und den nötigen Vorbehalten das übertragen werden, was Hölderlin in seinem Brief an Böhlendorff (Herbst 1802) schreibt:

    'Mein Lieber! ich denke, daß wir die Dichter bis auf unsere Zeit nicht commentieren werden, sondern daß die Sangart überhaupt wird einen anderen Karakter annehmen, ....'

    Was das 'Es ist' der dichterischen Sprache sei, das auch von Rilke und Benn gebraucht wird, wurde in etwa erhellt. Zunächst läßt sich sagen, daß es ebensowenig wie das 'Es gibt' das Vorhandensein von etwas feststellt. Im Unterschied zum gewöhnlichen 'Es gibt' nennt es aber nicht das Verfügbarsein dessen, was es gibt, sondern dieses gerade als ein Unverfügbares, das Angehende als ein Unheimliches, das Dämonische. Somit ist mit dem 'Es ist' der Bezug zum Menschen, und zwar ungleich schärfer als im gewöhnlichen 'Es gibt', mitgenannt. (...)

    So wird im Identitätsvortrag, wenn er von seinem Ende her gedacht wird, gesagt, was das Ereignis ereignet, d.h. ins Eigene bringt und im Ereignis erhält: nämlich das Zusammengehören von Sein und Mensch."

    Detto questo, zupfte sich Heidegger kurz, aber klar an der Nase, stand auf, und ging fort, immer weiter. Via, via, die Welt ist groß.

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