Sonntag, 11. September 2011

Eschatologische Meditationen - Sichtbare Not, unsichtbare Not, pro-vozierende Not

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Als kleine Klimatisierungshilfe zur ideellen Selbsteinrichtung des eigenen Lebens für eher nihilistisch affizierte Gemüter: drei in Verschiedenheit geeinte Konfrontationsperspektiven zur Beschreibung einer Welt, in der doch offensichtlich irgendwas fehlt. Hier in den Geschmackrichtungen: Ärgerlich, Fatalistisch und Nach vorne provoziert [jeweils nicht als ontologische Kennzeichnungen misszuverstehen].

Eine sich selbst mahlende Mühle (ärgerlich)

"Das Resultat der modernen Denkungsart nannte man Philosophie und rechnete alles dazu was dem Alten entgegen war, vorzüglich also jeden Einfall gegen die Religion. Der anfängliche Personalhaß gegen den katholischen Glauben ging allmählig in Haß gegen die Bibel, gegen den christlichen Glauben und endlich gar gegen die Religion über. Noch mehr -- der Religions-Haß, dehnte sich sehr natürlich und folgerecht auf alle Gegenstände des Enthusiasmus aus, verketzerte Fantasie und Gefühl, Sittlichkeit und Kunstliebe, Zukunft und Vorzeit, setzte den Menschen in der Reihe der Naturwesen mit Noth oben an, und machte die unendliche sphärische Musik des Weltalls zum einförmigen Klappern einer ungeheuren Mühle, die vom Strom des Zufalls getrieben und auf ihm schwimmend, eine Mühle an sich, ohne Baumeister und Müller und eigentlich ein ächtes Perpetuum mobile, eine sich selbst mahlende Mühle sey."  
(Novalis, Die Christenheit oder Europa)

(BhlogistonCC BY-ND 2.0)
Irgendwer noch eine Unterkunft fürs Seyn!? (fatalistisch)

 
Doch die als Herrschaft der Metaphysik sich einrichtende Notlosigkeit bringt das Sein selbst in das Äußerste seiner Not. Diese bleibt nicht nur das Nötigende im Sinne des nicht ablassenden Anspruchs, der die Unterkunft beansprucht, indem er sie als die Unverborgenheit der Ankunft braucht, d. h. als die Wahrheit des Seins wesen läßt. Das Unablässige seines Brauchens fährt im Ausbleiben seiner Unverborgenheit so weit aus, daß die Unterkunft des Seins, d. h. das Wesen des Menschen, ausgelassen, der Mensch mit der Vernichtung seines Wesens bedroht und das Sein selbst im Brauchen seiner Unterkunft gefährdet wird. So weit in das Ausbleiben ausfahrend, begabt sich das Sein mit der Gefahr, daß die Not, als welche es nötigend west, für den Menschen geschichtlich nie die Not wird, die sie ist. Im Äußersten wird die Not des Seins zur Not der Notlosigkeit. Die Vorherrschaft der als solche verhüllt bleibenden Notlosigkeit des Seins, das in seiner Wahrheit die zwiefach nötigende Not des unablässigen Brauchens der Unterkunft bleibt, ist nichts anderes als die unbedingte Vormacht des vollständig entfalteten Unwesens im Wesen des Nihilismus. 
(Heidegger,  Die seinsgeschichtliche Bestimmung des Nihilismus)

Ein riesiger Behälter voll Zukunft ("...oder wenigstens noch eine schöne Unterkunft für uns!?") (nach vorne provoziert)

"Der bewusste Mensch ist das am schwersten zu sättigende Tier; er ist -- in der Befriedigung seiner Wünsche -- das Umwege machende Tier. Fehlt ihm das zum Leben Notwendige, so spürt er den Mangel wie kaum ein anderes Wesen: Hungervisionen tauchen auf. Hat er das Notwendige, so tauchen mit dem Genuß neue Begierden auf, die anders doch nicht weniger quälen als vorher nackter Mangel. Die Reichen und Übersättigten (doch nicht nur sie) leiden gegebenenfalls am sonderbaren Kitzel des Ichweißnichtwas; der Luxus vor allem ist ein unersättlicher Treiber. Xerxes setzte einen Preis auf die Erfindung eines neuen Vergnügens, da war nicht nur Langeweile im Spiel, sondern ein unbekannter Trieb [...], der ebenfalls gestillt sein wollte. [...] Der Mensch fühlt sich in solchen Zeiten deutlich als nicht festgestelltes Wesen, als eines, das zusammen mit seiner Umwelt eine Aufgabe ist und ein riesiger Behälter voll Zukunft.
(Bloch, Das Prinzip Hoffnung)

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