Donnerstag, 17. November 2011

Die mahnende Stimme aus dem historischen Off: Gottfried Benn mit einer dringenden Empfehlung für kommende Selbstaneigner


Gottfried Benn, altertümlich ernst (oder wirkt ernsthafter Ernst immer schon altertümlich heute?), mit einer Empfehlung, die wohl nicht nur an Dichter gerichtet ist: Selbsteingrenzung als tastend an- und zueignende Auslotung des eigenen Bereichs.

"Sie haben sicher einmal das Wort Moira gehört: das ist der mir zugemessene Teil, das ist die Parze, die sagt, dies ist deine Stunde, schreite ihre Grenzen ab, prüfe ihre Bestände, wabere nicht ins Allgemeine, treibe keinen Feuerzauber mit dem Fortbestand des Höheren, -- du bist hoch, denn ich spreche mit dir. Natürlich wirst du nicht befugt sein, in andere Reiche einzudringen, es gibt viele Moiren, ich spreche auch mit anderen, sehe jeder zu, wie er meine Rede deutet -- aber dies ist dein dir zugemessener Kreis: suche deine Worte, zeichne deine Morphologie, drücke dich aus. Übernimm ruhig die Aufgabe einer Teilfunktion [das heißt jetzt: finde deine Nische], die aber versorge ernstlich, ich will dir zuflüstern, eine voluminöse Allheit ist ein archaischer Traum und mit der heutigen Stunde nicht verbunden.
(Probleme der Lyrik)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen