Samstag, 4. August 2012

Schielen lernen mit den "magischen >>Augen" der Wunderwelt<< - Mythopoietisch-pathetische Perspektiven


"Aber mein place-to-be ist utopisch" (Retrogott)

"Nicht als Untergrabender, sondern als Ebnender versteht sich
Kant: nicht als Maulwurf, sondern als Planierraupe."
(Krell, Der Maulwurf)

Hypotope (Foto: cc by-nc-nd Bruno Monginoux)
Wer die sichernden Gründe verlässt gerät in instabile Bezirke. >Hier< kann es von Vorteil sein, mit Ohren zu sehen um mit Augen zu hören. "Ist es wirklich so traurig und gefährlich, daß die Augen nicht mehr sehen wollen, die Lungen nicht mehr atmen, die Sprache nicht mehr sprechen...?" (Deleuze/Guattari) Das Lösen der Griffe auf der Suche nach klügeren Stricken führt Schritt für Schritt vom Be- ins Un- und Unter-griffliche zurück (!?). >Zwischen< "Nacheinander" und "Nebeneinander" ("Schließ deine Augen und schau! [...] Fünf, sechs: das Nacheinander. Genau: und das ist die unausweichliche Modalität des Hörbaren. Öffne deine Augen. Nein. Jesus! Wenn ich von einem Felsen fiele, der in die See nickt über seinen Fuß, ich fiele unausweichlich durch das Nebeneinander." - Joyce) scheinen vage Orte auf, Zwischen-Orte, Bei- und Vor-Orte, hypotopische, atlantische Aufenthalte. >Was< macht hier noch Unterschiede? "Wo sind wir...?", will man fragen und spürt, dass das alte "Wo" >von hier aus< schon nicht mehr zu sehen ist, statt "Ich" oder "Wir" würde >man< lieber "Es" sagen (Lichtenberg); aber selbst >da< regt sich schon wieder leise aber distinkt ungutes Gefühl.
Es ist nicht unmöglich, sich mit einem solchen kybernetischen Denken auseinanderzusetzen, aber das verlangt einen elementaren Wechsel der Ebenen: von Land zu Meer, - und damit ändern sich auch alle anderen Bedingungen und wir benötigen auf einmal eine andere Aufmerksamkeit, einen überraschend beweglich gewordenen Verstand. Ja, wir müssen uns hier ganz anders als zuvor "aufs Spiel setzen". Immer in der Gefahr das Wesentliche aus den Augen zu verlieren: "Thalassa", die "kleinste Kluft", das, wo alles vor sich geht (d. h. auch, noch einmal: den stummen Hintergrund der Schrift, der manchmal laut wird, durch den auch Stürme fegen); immer in der Gefahr, dass wir dann irgendwo stranden (und notgedrungen unser Lager aufschlagen: wieder einen Standpunkt beziehen...), dass unsere Klugheit nicht ausreicht und wir Schiffbruch erleiden; dass wir die falschen Routen wählen, oder unsere Fesseln zu locker sind: es gibt tausend Gründe unzeitig und spurlos im Offenen zu verschwinden.
(Anonym)
Deshalb ist überall Vorsicht geboten. >Wir< brauchen neben klugen Fesseln Proviant, aber brauchen >wir< auch und wie Navigation. Tasten >>wir<< >uns< nicht mit "Flimmerhaaren" (Benn) an kleinsten salomaimonischen "Differentialen" entlang. Vielleicht kommen >wir< dabei auch gar nicht umhin, die >falschen< Routen zu wählen, aber die Frage bleibt, woher >wir< und wie und wann wissen, dass es >falsche< Routen waren. Wie weit ins Offene sollten >wir< >>uns<< bewegen, sind wir überhaupt schon ins Offene geraten. Wünschen >wir< uns denn noch, dass Gründe tragen:
Sokrates war, meine Herren, kein gemeiner Kunstrichter. Er unterschied in den Schriften des Heraklitus, dasjenige, was er nicht verstand, von dem, was er darin verstand, und that eine sehr billige und bescheidene Vermuthung von dem Verständlichen auf das Unverständliche. Bey dieser Gelegenheit redete Sokrates von Lesern, welche schwimmen könnten. Ein Zusammenfluß von Ideen und Empfindungen in jener lebenden Elegie vom Philosophen machte desselben Sätze vielleicht zu einer Menge kleiner Inseln, zu deren Gemeinschaft Brücken und Fähren der Methode fehlten.
(Hamann, Sokratische Denkwürdigkeiten)
Wenn Medien trügen und Behälter beinhielten -- wenn Sprache mehr Boot als "Haus" (Hdg//KKS), mehr Wasser als Boden wäre. Schwimmen oder tauchen wir. Müssten wir nicht mit Flüssigkeiten zu sprechen lernen: "Du sagst, Du hast Flows, aber das ist nur Kondenswasser." (Retrogott) "Meine Flows sind wie Wein. Du dagegen bist unreif. Du bist zu steif für tighte Rapflows." (Taktloss) Wo hielten wir uns auf. In Dunkel-, "in denen man erst nach längerer Eingewöhnung etwas sieht" (Luhmann), oder Wunderkammern: "Wenn uns ein Engel einmal aus seiner Philosophie erzählte, ich glaube es müßten wohl manche Sätze so klingen als wie 2 mal 2 ist 13." (Lichtenberg). >Was< wollen >>wir<< hier noch unterscheiden. >Was< unterscheidet >>uns<<. Kein Kybernet geht über Wasser - eher noch durchschwimmt _sie_ mit offenen Augen die Gründe: viel schmerzhafte Unterschiede, >Stille der Schattenwelt<, mit "embryonischen" Maulwurfsaugen (Schopenhauer).
Denn, von ihr [der Theorie] wird, zum Skandal der Philosophie, nicht selten vorgeschützt, dass, was in ihr richtig sein mag, doch für die Praxis ungültig sei: und zwar in einem vornehmen wegwerfenden Ton, voll Anmassung, die Vernunft selbst in dem, worin sie ihre höchste Ehre setzt, durch Erfahrung reformieren zu wollen; und in einem Weisheitsdünkel, mit Maulwurfsaugen, die auf die letztere geheftet sind, weiter und sicherer sehen zu können, als mit Augen, welche einem Wesen zu Teil geworden, das aufrecht zu stehen und den Himmel anzuschauen gemacht war.
(Kant)
Wer hier "sehen lernen" möchte - nicht "weiter und sicherer", mit neuer "Kurzsichtigkeit" - sollte sicher sein, dass er dafür ausreichend gewappnet ist. Sich mit >Klugheit< ("Habt ihr auch genug Klugheit walten lassen? Nicht etwa Weisheit, sondern Klugheit als Dosis, als innere Regel des Experimentierens: Injektionen von Klugheit." "...man braucht kleine Rationen von Subjektivität..." - Deleuze/Guattari) an unerhörte Blicke gewöhnen. "Man muss noch...", ja, was muss man eigentlich noch genau:
Ich halte auch keinen Kompromiß für möglich, denn er würde dieselben Probleme aufwerfen wie ein Kompromiß zwischen der Ente und dem Hasen in dem bekannten Gestaltwandel-Bild. Die meisten Menschen können zwar ohne weiteres einmal die Ente und einmal den Hasen sehen, doch einen Entenhasen wird man mit noch so viel Übung und Anstrengung nicht erzeugen können.
(Thomas Kuhn)
(Entenhausen)
Mit Maulwurfsaugen Entenhasen UND Hasenenten sehen lernen: "Die Paradoxie lässt den Beobachter oszillieren, nämlich ganz kurzzeitig (aber immerhin: kurzzeitig) zwischen der einen Feststellung und ihrem Gegenteil pendeln." (Luhmann) Und wenn wir nun die Bildrate der Oszillation erhöhen, bis beides auf einmal sichtbar würde, müsste sie nicht als stehende Bewegung in den Blick geraten. Und bewegt sie sich denn nicht.

36 Kommentare:

  1. Ey, aber warum egon schielte dieter nuhr?

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    1. alberner kabelsalat, kannst auch ach. mit deiner vergessenden ewigkeit. kannste auch. du zwerchfell weck implo-applaudieren, wesenzwerg. was wie sich manche. und dann so. selber dich.
      is das nich das was immer nervt? kannst auch augen hinter hände, liebchen ich seh das schon, klotzen steinerne blut.kapillarn. ego sphärik, deshalb schielte egon! hundert wunderwerkewelten wunderwertewelken. ja, es lässt sich was einfalln, routinierter ausfallschritt, wergehtmit. patente für diverse irrungen “ich möchte bitte diesen irrweg patiencieren, mein schutzrecht nur für alle mit geduld” schuh zängel, glühstab nur, würmchen klein, dein licht ist m a mei nee mm aus.

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    2. Die prosaische Stimme4. August 2012 um 23:58

      Das ist mir alles viel zu rhapsodisch, was ihr da betreibt, Gedankenverleumdung nenne ich das, kopfschüttelnd. So.

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    3. Die kristalline Stimme5. August 2012 um 00:35

      Der Gedanke, einfach so, wie er wirklich ist.

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    4. ich habe ne kristallampe mit einem mächtigen klumpen harz im geweih. gigawatt: papäm. sternstunde in die atmosphäre kolportiert anführungszeichen ausrufungszeichen fremdwort anfang anführungszeichen ende. des loch, des du "internett" nennst, heißt bei mir einfach interbeknackt. füll des mit schmierpaste ausm heimatarsenal. ich hab noch genug hier auf lager. keine sorge. silikon belly. komm vorbei. ich diskutier da drüber nich. märchn hier märchn da mädchn goldenen prinz mit schüsseltopf goldsaftkopf gesucht im zenrtum kernkrem mit karamelkern. hm, lecker. glasig glänzen mega und martin für immer. endlich. wow.
      in meiner kleinn sammlung tapferer bienchen bist du auf jeden fall die provocatrice. ganz genau.

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    5. Merkurios Klotz versicherte mir, daß ihm die Pantomimik dieser Puppen viel Vergnügen machte, und ließ nicht undeutlich merken, daß ein Tänzer, der sich ausbilden wolle, mancherlei von ihnen lernen könne. Der de facto mehr kuriose Klotz hielt sich auch, besonders in manischen Phasen, selbst für einen Puppenspieler. Jede Bewegung, sagte er, hätte einen Schwerpunkt; es wäre genug, diesen, in dem Innern der Figur, zu regieren; die Glieder, welche nichts als Pendel wären, folgten, ohne irgend ein Zutun, auf eine mechanische Weise von selbst. Ich sagte, die Flugschlagfrequenz von Bienen beispielsweise würde auf diese Art reguliert werden können. Er erwiderte, daß wenn ein Geschäft, von seiner mechanischen Seite, leicht sei, daraus noch nicht folge, daß es ganz ohne Empfindung betrieben werden könne. Er schenkte zu viel, um ernsthaft ironisch zu sein. Der Ernst des Bären kam hinzu, mir die Fassung zu rauben. Aug in Auge, als ob er meine Seele darin lesen könnte, stand er, die Tatze schlagfertig erhoben, und wenn meine Stöße nicht ernsthaft gemeint waren, so rührte er sich nicht. Allerdings, antwortete er, das ist das letzte Kapitel von der Geschichte der Welt.

      Ziererei erscheint, wie Sie wissen, wenn sich die Seele (vis motrix) in irgend einem andern Punkte befindet, als in dem Schwerpunkt der Bewegung. Merkurios mag das nicht, wenn einem die Seele im Ellenbogen sitzt.

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    6. Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern! /
      Keine Angst, /
      keine Angst, /
      Rosmarie!

      Wir lassen uns das Leben nicht verbitttern. /
      Keine Angst, /
      keine Angst, /
      Rosmarie.

      Und wenn die letzte Pointe platzt - /
      und die Welt bloß nur noch fitzefatzt: /

      Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern: /
      Keine Angst, /
      keine Angst, /
      Rosmarie.

      (Johann Wolfgang von Goethe, Einige Synonyme für Kybernautik, unter besonderer Berücksichtigung der neueren Hochseeschiffahrt, HA Bd. 24, S. 5 f.)

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    7. jetzt , schaust du mal her da genau , ja , da kitzeln wir die sprache jetzt , kitzeln bis sie , lacht jetzt , das musst du probieren , so , richtig dumm mal kitzeln , witzeln jetzt schau mal , schaust mal wir machen , das jetzt , so , guck mal , wie die sprache lacht , guck mal die sprache , rollt da so hin , jetzt , die kann ja lachen , sag ich dir , so , und wörter warum mach weg einfach , lass weg jetzt , nicht so genau , pedant PEDANT , geht auch ohne , ohne , ohne , lösen jetzt , mach den mund auf , mach weg jetzt , junge , mach , brauchst nicht , und so , schluss damit einfach explodieren jetzt , hals über kopf und weg , , ,

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    8. "Die Sprache kitzeln", welch ein schönes Zitat! Das mit dem Lachen-Können mancher Sprache ist origineller. Vielleicht auch wichtiger.

      Weinen kann die Sprache immer. Auch schimpfen. Und protestieren. Auch schreien. Sogar rumkreischen! Und - versagen; in der Sache. Oder schlicht verstummen: leise werden, bis zur Kante der Stille.

      Humor, ernsthaft betrieben, ist kein Kampf gegen den Ernst. Sondern der Ernst der Optimisten. Man kann ohne Lächeln das wichtige Warten kaum aushalten.

      Das heißt: Humoristen sind wohl im Grund so etwas wie die Pazifisten der Seele, des trotzig-unaggressiven Weiteratmens. Sie glauben an Siege ohne Waffen; in und über Abgründen. Täglich. Im Ernst. Froh.

      Wer die Sprache nie kitzelt, wird sie nie grinsen hören.

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  2. hypotopisches, zitate, tränen4. August 2012 um 15:06

    "...;jetzt sind
    Die Helden tot, die Inseln der Liebe sind
    Entstellt fast. So muß übervorteilt,
    Albern doch überall sein die Liebe."

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  3. Immer diese Melancholie! - Jetzt offenbar auch fast schon bloß deshalb, weil es Inseln gibt (das kommt wohl von der noch immer fehlenden Komplett-Überschwemmung der Erde; das wird sich aber im Rahmen des Klimawandels sicher bald ändern lassen) und "Entenhausen" auch noch figuriert (etwa in Micky-Maus-Heften; das sind, offline, Papiere mit Farbaufdruck und Sprechblasen; ferner spielen u.a. Tick, Trick und Track, auch Gundel Gaukeley und Daniel Düsentrieb, gewisse Rollen - und mindestens die genannten Herren tragen bei situativ wichtigen Interaktionen scheinbar grundlos mehrfarbige Mützen).

    In der Summe entsteht, wenn man klar kuckt, der Eindruck, dass Optimismus geboten ist, sogar begründet dauerhaft möglich bleibt. Es gibt, gerade aus der Sicht führender transatlantischer Think-Tanks, überall deutlich mehr zu reißen, zu rocken und zu tun, als es durchschnittlich die Medienlandschaft in EU-Mitgliedstaaten derzeit präzis andeutet. Mit Novalis, Borges und Marie von Ebner-Eschenbach gesprochen, ist das - vorab - "good news".

    Mit freundlichen Grüßen,

    gez.

    Dres. mult. K.-G. Hallmackenreuther, Berlin-Schalottenburg

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  4. Ethikrat, (ein bisschen schluchzend)5. August 2012 um 00:30

    Meine Herren, ich sehe das Dilemma!

    Vorschlag: die (Vieles implizierende) ethische Perspektive. Unser lieber kybernetische Ironiker muss in seinen Äußerungen immer schwanken und taumeln (oder wird mit einer gewissen Notwendigkeit als ein Schwankender und Taumelnder wahrgenommen werden), denn er steht mit allen diesen seinen Äußerungen in einem sehr prekären Intervall zwischen >Vorbehalt< und >Vorenthalt<, (sofern man das, was er da betreibt im Hinblick auf das darin implizierte Verhältnis zu seinem Gegenüber - Leser oder Zuhörer - auffassen will.) Es ist ein feiner Unterschied, vielleicht nur eine Nuance. Für den anderen ändert sich hier im Verhältnis dazu aber alles.

    Auf die eine oder andere Weise geht es um Strategien der Desidentifikation als Modalität der Äußerung: Um im Denken beweglich zu bleiben, darf der Kybernet sich nicht in endgültigen Positionen einrichten, darf sich nicht endgültig festlegen (lassen), muss demnach immer schon in dem Augenblick seiner faktischen Äußerung, in dem Moment also, wo seine Theorie umschlägt in Theoriepraxis und ein bestimmtes propositionales Idiom, einen Schritt voraus sein, sich selbst und seiner Wahrnehmbarkeit sozusagen zuvorkommen. "Vorläufigkeit" seiner Gedankengänge: nur so kann er die Differenz zu sich am Leben halten, indem er eine solche konstitutive Unschärfe seiner Konturen zulässt (die zum Beispiel auch die hier so zahlreichen präsentierten Textkonturen einschließen).

    Diese Strategien der Desidentifikation nun können naturgemäß eher freundlich und einladend, verlockend und verführerisch, oder verletzend und herausfordernd, skandalisierend und distanzierend sein (wie auch immer man das spezifizieren möchte). Entscheidend: die in der Äußerung zu Tage tretende Geste wird als anziehend, vermittelnd oder abstoßend, krass unterscheidend empfunden (oft auch gegen die ausdrückliche Intention des Autoren, was jetzt freilich ganz sekundär ist).

    Dass sie, diese hier praktizierte ironische kybernetische Theorie, paradoxerweise immer beides ist (ja?) und sich doch schon hier entscheiden muss (nein?), ist das Dilemma.

    Kommt man aus dieser aporetischen Klemme heraus? Wie beweist man dem anderen, dem man sich mitzuteilen wünscht, die Freundlichkeit in den eigenen Gesten? Oder, müssen wir etwa, - was schon wieder Anlass zu immer neuen Tränen wäre - auch (!) von einer konstitutiven Unfreundlichkeit dieser besonderen Weise des Denkens ausgehen?

    Die Ironie kann uns hier jedenfalls nicht viel weiter helfen, als dass sie immer wieder dieses grundlegende abgrunderöffnende Problem anzeigt, wie mir scheint.

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    1. vielleicht eine Stelle, an der sich die praktizierte kybernetische Ironie-Theorie doch verrät, ob sie das will oder nicht: Ihr praktisches Geschehen. Ganz konkret: die Arbeit, die Zeit.

      Der Autor liest vielleicht Nietzsche, hat es möglicherweise in jungen Jahren prägend gelesen. Er schenkt zu viel, um ernsthaft ironisch zu sein. Aber fragen kann man sich: Was soll dann das offene Bekenntnis zur Ironie? Mein Vorschlag: Es bedeutet auch sein Gegenteil. Beziehungsweise könnte man auch fragen: Wie viele bekennen sich offen und lautstark zum Ernst, die keinen solchen Ernst in der Sache zeigen?

      Liegt aber darin nicht der Vorzug einer solchen Theorie? Dass sie ihre Leser nötigt für sich eine Entscheidung zu treffen in der es um "alles" geht?

      "Wie kommt man aus der aporetischen Klemme heraus? Wie beweist man dem anderen, dem man sich mitzuteilen wünscht, die Freundlichkeit in den eigenen Gesten?" Wie kommt man aus dieser Klemme heraus, wenn man behauptet, man meint es Ernst? Das Bekenntnis macht die Ubiquität der aporetischen Klemme nur sichtbarer.

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    2. "Was soll dann das offene Bekenntnis zur Ironie?"

      "... Odysseus, sagt man, war so listenreich, war ein solcher Fuchs, daß selbst die Schickssalsgöttin nicht in sein Innerstes dringen konnte. Vielleicht hat er, obwohl das mit Menschenverszand nicht mehr zu begreifen ist, wirklich gemerkt, daß die Sirenen schwiegen, und hat ihnen und den Göttern den obigen Scheinvorgang nur gewissermaßen als Schild entgegengehalten."

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    3. Ich rappe nur weil ich will. Rappe nicht, wenn ich nicht will. Wenn das nicht der Fall ist, warum sollte ich jetzt rappen. Ich krieg nix dafür, außer dass mir drei Leute sagen...

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    4. "Dass sie ihre Leser nötigt für sich eine Entscheidung zu treffen in der es um "alles" geht?" (Es gibt)

      "Entscheiden muss immer nur der andere, Verspätete, Betroffene." (Anonym)


      --
      Man unterschätzt übrigens doch in meinen Augen arg den Ironiebegriff, wenn man ihn in eine schlichte Opposition zu "dem Ernst" zwingt. Zum Glück wird die Unmöglichkeit dieser Opposition im Kommentar oben auch unmittelbar sichtbar.

      Die "Ubiquität" der Aporie scheint dann die primäre Nicht-Entscheidbarkeit sowohl von Ernst oder Ironie als auch von Freundlichkeit oder Unfreundlichkeit der Geste mit einzuschließen.

      "Die Ironie kann uns hier jedenfalls nicht viel weiter helfen, als dass sie immer wieder dieses grundlegende abgrunderöffnende Problem anzeigt, wie mir scheint."

      Vielleicht ist mit dieser Anzeige des Problematischen dann in dieser Hinsicht schon das Meiste getan, insofern es so zwar "...die Ubiquität der aporetischen Klemme nur sichtbarer [macht]"?

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    5. ...Kurt, Du coole Sau, hast Du mal Feuer?

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    6. "Kurt, hast Du mal Feuer?"

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    7. Könnte man "Strategien der Desidentifikation" auch mit "unscharfem Warten" übersetzen? Wenn ja, braucht der Kybernet wohl deutlich mehr Glück (oft auch etwas mehr Raum) für das Gelingen seines Projekts als andere Leute. Kybernet sein heißt im Kern dann eigentlich: Man möchte zu nichts gedrängelt werden, denn: es ereignet sich, bifurkativ, das Wahre. Kyberneten sind oft Hölderlinkenner, getarnt als Luhmannleser.

      Aber vielleicht ist das unproblematischer, als es klingt. Mindestens dann, wenn andere Leute ihr Glück und ihre Orte mit (netten) Kyberneten gerne teilen. Vorläufig? Ja; aber das auf Dauer. Immerhin kann man scharf nur von Kyberneten "unscharfes Warten" lernen: als Strategie der Identifikation.

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  5. Schauen wir ihn uns doch einmal genauer aus der Nähe an, diesen Kybernetiker und sein Gesicht mit den ironischen Zügen.

    Da ist etwas Unheimliches in seinem Ausdruck. Es ist der >entzweite Blick<; er ist nicht ganz bei uns: die unsichtbaren Linien seiner Aufmerksamkeit verlaufen nicht parallel. Sie schneiden sich irgendwo, noch bevor sie uns treffen. In uns wächst der Verdacht: er hat ein geheimes Ziel. Die Asymmetrie seiner Augen erweckt in uns zunächst den Eindruck, dass er schiele, aber wir merken bald: er beobachtet genau und, - sein Blick wirkt mit der Zeit seltsamerweise nicht verschwommener, sondern schärfer. Er sieht tatsächlich mit >zwei< Augen. Gleichzeitig Verschiedenes.

    Er hat ein geheimes Ziel. Irgendetwas verschweigt er mit seinem Gesicht, ja, er muss einen geheimen Hintergrund haben: in diesen taucht er uns mit seinen Augen, er löst uns darin auf mit seinen Augen, ja, das ist es, wir merken es: wir können weder Hase sein, noch Ente: seine Blickbahn durchkreuzt jede Grenzziehung, die wir um uns versuchen: sein schielender Blick rückt uns auf den Leib... -

    aber dort, wo sein Blick entzwei bricht, scheint das Gesicht sich von uns abzuwenden, als würde er schon darauf hinschielen, anderswohin aufzubrechen: da ist Abwesenheit in seinem Gesicht, sie sitzt ihm mitten auf die Stirn geschrieben, oder sticht hervor als seine Nasenspitze, durch uns hindurch, schon an uns vorbei;

    vielleicht verrät das schielende Auge einen Betrug? Ja, er muss etwas verschweigen.

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    1. Das ist nicht "der" Blick des Kybernetikers, sondern eher der jener Leute, mit denen er lange spricht. Der Kybernetiker reproduziert das, auf seine eigene Weise (re-entry). Der Kybernetiker ist kaum von sich aus "unheimlich".

      Auch betrügt der Kybernetiker niemanden. Keine Kybernetik ist angelegt auf Lug und Trug. Sie reduziert allerdings vieles, unter dem Vorwand der Präzision. Sie baut Fettpolster im Corpus des Denkens ab, bevorzugt den tapetzierten Knochen. Sie ist unbarock. Manche wichtigen Theoretiker sind das nicht - oder mindestens nicht so, wie der Kybernetiker.

      Daher: Mit unmissverständlich freundlichen Gesten an andere tut sich die Kybernetik vielleicht tatsächlich deshalb manchmal schwer, weil sie sich - meist bewusst, seltener unbewusst - als Totalkritik aller sonstigen Theoriepraktiken formuliert. Wer kann dann aber noch dem Kybernetiker seine "blinde Flecken" zeigen (Kybernetik, als "allgemeine Theorie", ist immerhin auch ein Reduktionismus)? Nur noch der Schalk?

      Last sentence: Wer nichts verschweigt, ist kein interessanter Gesprächspartner; wir suchen interessante Gesprächspartner.

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    2. Von einer ganz anderen Tonlage aus5. August 2012 um 11:19

      Das ist ja rührend! Soviel sicheres Vertrauen in den großen Steuermann... - da könnte man es sich ja fast selbst überlegen, mit an Bord zu gehen und wenigstens rudern zu helfen.

      "Der Kybernetiker ist kaum von sich aus "unheimlich"."

      "Sie aber - schöner als jemals - streckten und drehten sich, ließen das schaurige Haar offen im Winde wehen und spannten die Krallen frei auf den Felsen. Sie wollten nicht mehr verführen, nur noch den Abglanz vom großen Augenpaar des Odysseus wollten sie so lange als möglich erhaschen."

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    3. Nee, das ist statt rührend einfach nur ein reflektierter Satz - und "sicheres" Vertrauen existiert, präzis gesprochen, kaum ("Vertrauen" ersetzt gerade typischer Weise fehlende "Sicherheit"; in einigen Grenzen).

      Rudern helfen? Warum nicht besser in der Küche den Smutje mit ein paar guten Sprüchen bei Laune halten, vielleicht mit Bionade on the rocks oder Cola light im Glas? Immerhin wird hier die Suppe ausgekocht, die andere auslöffeln müssen.

      Ruder gibt es auf dem Kreuzfahrtschiff "King Luhmann II" nicht viele (selbst die Rettungsbote haben Mini-Motoren mit Solarantrieb und WLAN, falls es mit der Rettung voraussehbar länger als 5 Minuten dauert).

      Odysseus hat, wie ein pensionierter Altphilologe kürzlich nochmals ausdrücklich mit vielen Belegen erläutert hat, kein größeres Augenpaar gehabt, als etwa Judy Garland. Insofern muss es entscheidungstheoretisch eher wirklich um einen besonderen Ab-Glanz als um schlichte ophtalmologische Details gegangen sein, als die Sirenen sich entschlossen, Odysseus fairer Weise lieber anfeuernd nachzuwinken, als ihn und seinen Kahn verführerisch untergehen zu lassen.

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    4. Der König ist zurück. Der König ist ein abgedroschenes Bild. Mit ausgeblichenen Farben. In jeder Szene muss man von dem was in ihr als hip beachtet wird möglichst viel haben...

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    5. S.o. oder u. oder irgendwo5. August 2012 um 23:23

      "Doch so, wie sich der Durchschnitt zweier Linien, auf der einen Seite eines Punkts, nach dem Durchgang durch das Unendliche, plötzlich wieder auf der andern Seite einfindet, oder das Bild des Hohlspiegels, nachdem es sich in das Unendliche entfernt hat, plötzlich wieder dicht vor uns tritt: so findet sich auch, wenn die Erkenntnis gleichsam durch ein Unendliches gegangen ist, die Grazie wieder ein; so, daß sie, zu gleicher Zeit, in demjenigen menschlichen Körperbau am reinsten erscheint, der entweder gar keins, oder ein unendliches Bewußtsein hat, d. h. in dem Gliedermann, oder in dem Gott."

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  6. einerdersichimdenkenorientiert5. August 2012 um 02:36

    ""Wo sind wir...?""

    Wir kommen irgendwo her und kommen auch irgendwo an. Das ist aber nicht das Wesentliche. Das Wesentliche spielt sich dazwischen ab und dazwischen stellt sich auch erste diese Frage und wird das Problem akut, das in dieser Frage zum Ausdruck kommt: eine gewisse Orientierungslosigkeit, eine gewisse Ortsunbestimmtheit... -

    Wesentlich ist doch gerade für ein Denken, das sich explizit als ein transitorisches verstehen will, dieser Bereich, der zwischen Herkunft und Ankunft liegt, die Schwelle der Bewegung selbst sozusagen, das Offene, in das man sich hineinwagt, das Risiko dabei in Kauf nehmend, vielleicht nicht dort anzukommen, wohin man ursprünglich gelangen wollte, oder sogar zu vergessen, woher man ursprünglich gekommen ist: mindestens doppeltes Risiko des Vergessens also.

    Was ist das für ein kritischer Bereich des Denkens?

    Sehen wir strenger zu: es ist der Bereich, wo trotz aller Bewegung das Denken immer wieder Stellung nehmen muss, wo es wie vorläufig auch immer sich fixieren muss, es ist seine ihm wie auch immer unbekannte einzige Bahn... -

    Entscheidend ist dabei für es offenbar aber gerade nicht die jeweilige Position, in die es sich begibt und notgedrungen immer schon begeben haben wird, sondern entscheidend ist das, was die Positionen, welche auch immer das sein mögen, voneinander trennt, entscheidend ist diese >surreale Distanz<, die das kybernetische Denken in seiner Fahrt durch die Sprache durchmisst.

    "Surreal", denn es ist eine Distanz, die ja faktisch niemals zum Ausdruck gebracht werden kann, wenn anders jede faktische Äußerung dieses Denkens schon als eine Festlegung und provisorische Einrichtung in Positionen gelten muss. Und doch sagt dieses Denken davon und gerade das muss als der Sinn dieses provisorischen Aspekts angesehen werden: er kann die Positionalität der faktischen Äußerung als vorläufig erkennen, weil er vorausblickt auf den notwendig den konkreten Äußerungszusammenhang überschreitenden Bereich jener Distanz, - vielleicht in der Illusion, bereits den nächsten, besseren Standpunkt gefunden zu haben, in den man überzugehen wünscht, vielleicht bloß in einem vagen Gefühl des Unbehagens und der Unzufriedenheit mit der gegenwärtigen Lage: entscheidend ist so oder so der Schritt in den "Zwischen-Ort" der nicht zu verortenden Distanz selbst.

    In dieser Distanz sind Zufälle und Unfälle möglich; gute oder böse Überraschungen; jähe Abweichungen vom anfangs eingeschlagenen Kurs... -

    diese Distanz, die immer nur provisorisch von Entscheidungen überbrückt werden kann, muss den Brennpunkt der Gedanken bilden.

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    1. Die hymnische Stimme5. August 2012 um 09:32

      Was ist Sirenengesang? nichts anderes als eine Sendung, die nur für zwei oder einen bestimmt ist. Sirenen spüren den Süßigkeitshunger von Helden auf - mit der Treffsicherheit der geschulten Vampire wissen sie, was sie singen und sagen müssen, um ihr Opfer aus der geselligen Gemeinschaft in die wollüstige Einsamkeit des Selbst, das sich im eigenen Bild spiegelt, herauszuziehen. Die meisten Europäer werden auch heute noch ungefähr in Erinnerung haben, was bei Homer nun folgt. Odysseus verstopft seinen Gefährten die Ohren mit Wachs, um sie gegen die Glücksmusik zu immunisieren, sich selbst läßt er an den Mastbaum fesseln, mit einem Seil im übrigen, das beinahe genau so heißt wie die Seirenen - als hätte Homer sagen wollen, daß nur eine Umstrickung gegen eine Umstrickung hilft... PS

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  7. Nein, das leuchtet noch nicht genügend ein. Gegen die eine Umstrickung hilft, logisch, noch längst nicht die nächste. Es sind dann, mathematisch, einfach erst nur zwei Umstrickungen - statt bloß einer.

    Der Ulyss hat sich vermutlich nur deshalb geschichtsbewusst fesseln lassen (Männer sind im Prinzip gerne frei), weil ihn früh aus der Zukunft die Depesche erreichte, dass zwar wohl wesentlich später, aber dann doch, die Frankfurter Schule ohne diese entscheidende zitierfähige Geste der abendländischen Proto-Geschichte intelligente Männer wie Ted Adorno samt Horkheimer sehr sprachlos, jedenfalls unfaszinierend, also unglücklich hätten bleiben müssen. In solchen Fällen kann man sich auf transepochale Männersolidarität immer verlassen. Man nimmt sich gegenseitig nicht die Chancen. Der Gesang der Sirenen ist (Kafka in Prag hat es geahnt) vermutlich nie erklungen; aber in Frankfurt hat man ihn gehört.

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    1. "Nein, das leuchtet noch nicht genügend ein. Gegen die eine Umstrickung hilft, logisch, noch längst nicht die nächste. Es sind dann, mathematisch, einfach erst nur zwei Umstrickungen - statt bloß einer."

      Allerdings. Entscheidend ist darum nachwievor eher das, was zwischen den Umstrickungen vor sich geht und was diese überhaupt notwendig macht, würde ich vermuten.

      "In solchen Fällen kann man sich auf transepochale Männersolidarität immer verlassen."

      Teddy W. in Männersolidarität - transepochaler! - das wäre ja zu schön, um...

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    2. Adorno, das wird oft unterschätzt, ist fast ohne gleichaltrige Freunde (Horkheimer war keiner) recht weit gekommen; in den USA und am Main.

      Hätte es nicht den Ulyss gegeben, oder - einige Zeit später - Thommy Mann: wir wüssten kaum, dass Adorno je da war, dann gefragter Suhrkamp-Autor wurde, zudem auch früh wenig Haare hatte und fast nie darüber sprach, dass er bei dem evangelischen Theologen Paul Tillich über Kierkegaard promoviert hat. Kierkegaard hätte das eventuell erstaunt, aber kaum vom Spazierengehen mit Hut in Kopenhagen abgehalten.

      Ernst Bloch (ein Duz-Freund Adornos) hatte bis ins hohe Alter dichtes Haar, hielt es eher mit dem Revoluzzer Tom Münzer, hatte aber weniger philosophischen Einfluss; am Main. Er sprach klarer, mit und ohne Pfeife, hatte viele weibliche Bewunderer (manche waren bis zu 70 Jahre jünger als er), galt auch seit der Zeit der Links-Aristoteliker (kennt jemand noch Avicenna oder Ibn Rushd?) als einer der noch wenigen richtigen Kerls auf dem Rasen. Hans Mayer hat ihn von Leipzig nach Tübingen überzeugt.

      Insofern ist nicht leicht erkennbar, wie das Konzept "transepochale (Epochen sind mal lang, mal kurz) Männersolidarität" im Blick selbst auf die deutsche Philosophie verzichtbar wäre.

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    3. "I am
      Whatever you say I am
      If I wasn't, then why would I say I am?"

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  8. In der Gesellschaft der schielenden Augen ist nicht der nicht-schielende König. In der Gesellschaft der schielenden Augen haben sich keine Augen voneinander abgewendet. Ihr Anwesen ist nur auffallend geräumig, innerlich geräumig. Wer einmal da war berichtet von einer erstaunlichen Freiheit, die auf einmal möglich wurde. Gefragt, ob sie sagen könne, woher dieses Gefühl der inneren Seelenraumsprengung kam, wusste sie nichts zu sagen außer, dass so etwas wie ein Enthalten-Sein in schiefen Spiegeln ununterscheidbar werden ließ, ob sie sich nur unscharf verliebt hatte oder in einem hymnisch-kindlichen Traum bei sich selbst angekommen war.
    In der Gesellschaft der schielenden Augen sind Einladungen Einladungen und Fragen Fragen und Antworten Antworten und Entenhasen Hasenenten...aber das hängt von den anderen Augen Augen Anderer ab.

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  9. Die Augen der Anderen sind teils zu klar, teils zu trüb, als dass (bloß) von ihnen etwas für andere entscheidend abhängen könnte.

    Zudem: Die eigenen Augen, wenn sie nicht allzu traurig sind, müssen von niemandem sonst gesehen oder gar besprochen werden.

    Es sei denn, sie sind schön. Was schön ist (das ist, abstrakt, im Kern etwa glänzend wahre Ästhetik plus x), interessiert geradezu automatisch alle; aus Prinzip. Wir wollen alle ständig immer noch mehr Schönes. Wir sind so. Schönheit, öffentliche Zugänge zu ihr, sind ein "public concern". Meistens aber nur halb ein "public good".

    Präzioser gesagt: Die Schönheit auch der Augen der Anderen ist ein genuin öffentlich geteiltes Anliegen. Wohl auch dann, wenn das nicht unbedingt jeder exakt so fassen würde!

    Jedoch: Wo solche und andere Schönheit deutlich fehlte, wüchse vermutlich zuverlässig auch Aggression. Insofern, wiederum knapp gesprochen: Ohne Schönheit - wenig Friede! Das gilt in der Selbst- wie in der Fremdwahrnehmung oft. Wir kennen womöglich selbst Beispiele dafür - oder wenigstens Leute, die die klaren Beispiele kennten.

    In diesem Rahmen ist Schönheit, let's face it, ein Politikum. Daher, in dem zuvor genannten Sinn, gehört der zitierte "Glanz plus x" dieser Augen der Anderen öffentlich nicht nur verteidigt; er gehört, im Ernstfall, sogar unbedingt mit der verfügbaren Macht gerettet! Denn nur aus jenem Glanz leuchtet uns die Welt so hell und echt zurück, wie wir es alle brauchen.

    Wie "wir" "es" "alle" "brauchen"? Warum nochmal, ganz kurz? Nun, schon deshalb, weil wir, als Realisten, sei es mit I-Pad oder ohne, wissen, dass es in der Welt oft mindestens den halben Tag lang dunkel ist - es sei denn, wir kriegen immer rechtzeitig den richtigen Flieger ins Helle; oder wir chillen, für weniger Cash, schlicht lokal, with lights on.

    Da wir gerade beim Definieren sind: Wahrnehmbare "Schönheit" (notfalls auch solche, die man nicht jeden Morgen zuverlässig im Spiegel sieht) ist der Trost der Realisten. Gottfried Benn etwa wäre mit seiner Wut, seiner frühen Glatze und seinem ebenso frühen wenig auffälligem Charme ohne diese Vision wohl kaum so alt gestorben.

    Wer für die Sache, um die es hier - wie beschrieben - geht, nicht gerne zumindest in Gedanken eine harte Rüstung und einen coolen Helm anzieht; wer (zumindest mit Gedanken) nicht mutig gegen jedermann, der ausgerechnet hier dumpf sabotieren würde, aufs nächste kräftige Schlachtross stiege und im Zweifel eine spitzige Lanze brechen wollte: der riskiert womöglich sein eigenes, echtes Glück so gründlich wie das anderer drumherum.

    Das Bedürfnis nach, sagen wir: "öffentlichen Schönheitszugängen", ist, de facto, ein nicht unwichtiger, nicht unwuchtiger Teil der Frage danach, wie man menschliche politische Selbstbestimmung, somit auch Demokratie als Prinzip, spätestens heute realistisch verstehen muss. Schönheit ist demokratisch interessant.

    Auch demokratisch organisierbar? Demokratie, wie eben vorgeführt, gilt, bei Sonnenschein besehen, als Selbstregierungsform einer Bevölkerung. Bei leicht bewölktem Himmel fügt man nüchtern hinzu: Unter administrativ-repräsentativem Einsatz von Rittern (man kann auch von Abgeordneten, Beamten, Ministern und Kanzlern reden). Wenn es aber politisch regnet, performed die Demokratie mitunter sogar als Selbstregierungsform von Rittern unter repräsentativem Einsatz der Bevölkerung.

    Am Schluss fragt sich, um ein Fazit vorzubereiten: Was passiert, wenn es blitzt? Wer dann viel Metall am Körper hat, ist vermutlich nicht nur grundsätzlich öffentlich in der Minderheit und sachlich ungut orientiert, sondern braucht wohl auch situativ mindestens eine freundliche Person, die über die Straße ins Sichere hilft. Anders trifft der Blitz die Seinen.

    PS

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  10. »Ich fände es toll, wenn alle Leute schön wären.«
    »Ich fände es toll, wenn alle Leute schön wären.«

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