Freitag, 9. November 2012

Ein Schelm als kuinziger Zeitgenosse


"Kritik der schelmischen Vernunft"
Das Schelmische tritt nicht direkt in Erscheinung. Es lässt sich nur erahnen, aber eben das schon: es lässt sich selbst (bewusst und aktiv) erahnen. Das Schelmische markiert also keinen heimlichen Betrugsversuch, keinen Verrat, kein Hintergehen, viel eher vielleicht verschmitzte Anzeige der Möglichkeit eines unsichtbaren Anderen, das irgendwie auch vonstatten gehen könnte, selbst aber nicht in den Blick gerät. Der Schelm hat etwas vor - zumindest deutet er an, dass er etwas vorhat, etwas, das Andere überraschen könnte, vor dem sie sich aber eigentlich nicht zu fürchten bräuchten: Der Schelm heckt - im Grunde freundlich - etwas aus. "Wenn eine Person schelmisch lächelt, so ist das ein vielsagend kokettes Lächeln, hinter dem sich etwas Verschwörerisches oder Verführerisches verbergen kann." (Wiki) Daher bedroht der Blick des Schelms nicht, obwohl er als Anzeige eines Undurchschaubaren dennoch in eine kitzelnde Verunsicherung verwickeln kann. Schelm und Schelm bleiben eben [wie giftige und ungiftige Pilze] verwechselbar:
Die heiter-schwermütige Überlegenheit gegenüber allem Gewöhnlichen und Üblichen, das sich stets zu wichtig nimmt, ist im Wort gemeint - aber diese Überlegenheit hat nichts Hochfahrendes, auch nicht die Art des bösartigen Spottes. Das "Kuinzige" schließt eine echte Zuneigung zu Menschen und Dingen und eine echte Besorgnis um sie ein; legt es aber darauf an, nicht bewußt, im Undurchschaubaren zu bleiben, was leicht als Hinterhältigkeit mißdeutet werden kann.
("Heidegger maior", Reden und Zeugnisse eines Lebensweges, GA 16) 
Kuinzigkeit als schelmische Verschmitztheit muss also selbst gar nicht besser Bescheid wissen. Als Denk- und Sprechtypus kann das Schelmisch-Kuinzige andeuten, dass auch der Schelm selbst schon ein Hinters-Licht-Geführter ist, um von dort aus mit anderen immer zugleich auch etwas anderes irgendwie anders zu sehen.
Kuinzig, das bedeutet, einen hinters Licht zu führen, aber anders als sonst das Wort gebraucht wird. Wenn du im Licht stehst, siehst du nichts; wenn du hinter dem Licht stehst, siehst du alles. Kuinzig sein bedeutet also: sich selbst oder einen anderen hinters Licht führen.
("Heidegger minor" in: Zimmermann, Martin und Fritz Heidegger. Philosophie und Fastnacht, zitiert nach: Kienzler, Kuinzig - Heideggers Umgang mit einem Wort)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen