Samstag, 24. September 2011

"Leichtfüßig und formulierungsgeschickt über die Dinge gleiten" Luhmanns unbeachtete Skizze einer Theorie der "Intelligenz"


("Freischwebende Intelligenz", Quelle:www.iraff.ch)
Als gutgelaunte Pioniere der Systemtheorie scheuen wir keine Mühen, um auch wenig beachtete Theoriestücke des oerlinghausener Großmeisters der Beobachtung von staubigen Vorlesungsmitschnitten im Wortlaut abzutippen, um sie so (endlich) unters Volk zu bringen. Heute: Die Skizze einer Theorie des Mediums der modernen Intelligenz.

"Ich könnte mir vorstellen, (obwohl ich da also noch etwas zögere, das so wirklich zu sagen) dass es ein allgemeines Medium der modernen "Intelligenz" gibt, das genau darauf [auf die Beobachtung von Beobachtungen] bezogen ist. Sie finden in der parsonsschen Theorie in irgendeiner Ecke in irgendeinem dieser Kästchen das Medium "Intelligenz" -- und das ist nicht ausreichend ausgeführt. Aber man könnte sich vorstellen, dass wir, wenn wir unsere Gesellschaft (oder überhaupt irgendwelche Sachverhalte) relativ außerhalb der Funktionssysteme sehen, also zum Beispiel auch außerhalb des eigentlich wissenschaftlich zu verantwortenden Betriebs (der Forschung, des Testens von Hypothesen, des Datensammelns, undsoweiter) [...], wenn wir einen Schritt zurücktreten und die modernen "Intellektuellen" als Phänomen sehen, das darin nicht aufgeht, das also nicht nur bessere Forschungsresultate produziert, sondern generell über die Dinge redet -- Mannheims "freischwebende Intelligenz" zum Beispiel (das ist ja eine bloße Metapher natürlich). Dann könnte man sich vorstellen, dass dieses eine Generalisierung des Beobachtens zweiter Ordnung ist. Und dann könnte man sich auch erklären, wieso die Intellektuellen immer über andere Intellektuelle reden hauptsächlich. Also, wieso Habermas beschreibt, wie Derrida Nietzsche beschreibt, oder wie Hegel Kant beschreibt. Und andere wieder beschreiben, wie Habermas... Oder Parsons beschreibt Weber und die Parsonskritiker beschreiben, das Parsons Weber falsch beschrieben hat. Und das ganze läuft also auf der Ebene des Diskurses "Beschreiben von Beschreibungen", "Beobachten von Beobachtungen". Und in dieses Netzwerk, in dieses autopoietische Netzwerk der Intellektuellen kommen "Realitäten" nur "schockartig" rein.
[...]
Aber die Frage ist, ob dieses Medium "Intelligenz" eigentlich ohne eine realitätsbezogene Theorie der modernen Gesellschaft überhaupt etwas anderes kann als diesen Diskurs zweiter Ordnung führen und Schocks dann irgendwie mit dieser "Leichtigkeit", die Intellektuelle an sich haben, durch Umformulierungen oder Relativierungen oder durch neue "Ideen" [aufzufangen] (-- das "Sublime" ist jetzt zum Beispiel angeboten, nicht? Schlegel, August Wilhelm Schlegel, hat schon gesagt, das sei ein "vornehmes Abführmittel" -- und jetzt ist das im Moment "in", man kann das so sagen.) [...]
Aber auf dieser Ebene fehlt eigentlich ein Beitrag der Soziologie, wo man einerseits diese Beobachtungsfigur reflektieren -- also, über das Medium "Intelligenz" als Teil einer Theorie -- wirklich handeln könnte und andererseits die Problematik einer solchen Abhebung von Realitäten und die Auffangvorrichtungen selbst noch einmal beschreiben könnte." 

(Luhmann, Theorie der Gesellschaft (Autobahnuniversität, MC 7b))

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