Montag, 5. Dezember 2011

Living Life in the Fast Lane: Akte des Überholens

Die Unmöglichkeit der Selbsteinholung [Achill ist selbst die Schildkröte]
Während Hugo Ball den existenziellen Selbstabstand [Def.: Der e.S. bezeichnet das häufig durch ein Ereignis provozierte Gefühl, sich zum ersehnten Ich/Welt-Verhältnis in einer uneinholbaren Distanz zu befinden. Der e.S. bricht meist in der Konfrontation mit realen oder erdachten Personen und Lebensstilen auf, die -- scheinbar oder wirklich -- ersehnte aber für Ego uneinlösbare Lebensspielräume realisieren.] noch als einen unausweichlichen modus vivendi beschreibt...
In der Kindheit erträumen die Menschen sich ein so selbstverständliches Ideal ihrer selbst und der Welt, daß die Erfahrung sie nachher immer enttäuschen muß. Die Berichtigung tritt unversehens ein und der Schock davon ist meistens derart, daß eine gewisse Empfindlichkeit in diesem Punkte niemals erlischt. Wer den Traumschatz der Menschen zu heben vermag, der kann ein Erlöser werden. Zwischen Traum und Erfahrung liegen die Wunden, an denen de Menschen sterben. Hier liegen die Gräber, aus denen sie auferweckt werden. [...] Geboren werden die Menschen allesamt als Erlöser und Könige. Aber die wenigsten vermögen sich zu behaupten, oder, wenn sie sich schon verlieren, sich wiederzufinden. Wer das Leben befreien will, muß die Träume befreien.
(Ball, Flucht aus der Zeit)
 ...setzt Bloch den Blinker, um zügig auf die Überholspur zu wechseln:

Demgemäß und um die Geburt des Morgen zu befördern, ist [das Denken des "echten Widerstands"] zwar mitten in der Zeit, doch so, daß es sie weisen kann und überholt. Überholen nun, das setzt nicht nur Unzufriedene voraus, denen der Lauf, gar Stand der Dinge nicht Genüge tut. Und es setzt nicht nur ein Wünschen und Erwarten voraus, samt der Fähigkeit, Träume nach vorwärts zu haben. [...] Weiter jedoch ist nötig, daß das Überholen nicht abstrakt bleibt, nur putschhaft vorpreschend oder auch ein Glück vormachend, von dem überhaupt nicht gewusst wird, wie man hingelangt. So etwas ist Schwärmen und überholt nur scheinbar, obwohl sein Vorwärts besonders heftig aussieht; es überholt aber nicht, sondern überschlägt. Damit dies vermieden [sic], dazu muß man allerdings auch mitmachen, freilich nicht die Dinge, wie sie sind, wohl aber, wie sie gehen, real möglich gehen könnten [...]. Kein Überholen kann dies außer acht lassen, ja am wichtigsten ist auch in diesem Betracht die Beachtung der Straße.
(Bloch, Tübinger Einleitung in die Philosophie)

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