Freitag, 6. Januar 2012

Zoten und Spiele - Über die Revitalisierung von so etwas wie "politischem Bewusstsein"


(Quelle: brainworker.ch)
In bester Lästerlaune entdeckt die sog. "vierte Gewalt" ihre Lust an der voreiligen Selbstjustiz wieder. In der FAZ zitiert Schirrmacher sentenziell Dolf Sternberger: das Wort und die Rede seien selbst schon seine eigentliche Handlung. Das trifft so natürlich auf alle "Publizierenden" zu; und auch die entdecken nun, was bisher nur "professionellen" Journalisten vorbehalten war: Die Lust am "Runterschreiben", die Freude am Sich-selbst-Spüren als Teil einer zynischen "Multitude", die wenigstens bewirken kann, dass irgendwas nicht mehr funktioniert wie davor. Die alte Politikverdrossenheit weicht einer neuen medialen Spektakelfreude: man sieht jetzt immer öfter und immer lieber "denen da oben" beim Stolpern zu. Mitmachen, mitwitzeln, mitentlarven, mitstürzen. 

Ein bisschen Abkühlung kann da sicher nicht schaden:
Es ist nur zu bekannt, daß Presse und Funk [und "Social Media"-Verwender] immer Neues zu berichten haben. Sie leben von Diskontinuität, von Tagesereignissen, aber auch von Meldungen, die den Neuigkeitswert von Meinungen, Moden und Miseren unterstreichen. Das bringt sie in Kontrast zu dem hohen Anteil an Repetition, der das Alltagsleben der Meisten auszeichnet. Teilnahme an dieser Neuigkeitswelt ist für den Einzelnen mithin eine Gelegenheit, dem Gleichmaß des Alltags mit einem Blick durch das Fenster zu entfliehen [...]. Bei Lebensrhythmik und Nachrichtenrhythmik handelt es sich mithin um eine organisierte Differenz [Langeweile vs. Spektakel], die darauf beruht, daß es nicht zu einer Integration kommen kann [...]. Ganze Routinen in der Erzeugung von Nachrichten leben von dieser Differenz. Wenn am Sonntag nichts passiert, hat man statt dessen Sport. Die Autounfälle des Tages werden registriert, um sie eventuell bringen zu können. Zentralereignisse der Politik wie Wahlen oder Gipfelkonferenzen werden vorher und nachher behandelt. Zeit wird damit reflexiv, indem die Neuigkeit darin besteht, daß man noch nicht weiß, worin sie besteht. [...] Und ebenso gibt es das Thema der zu späten Thematisierung eines Themas. [...] Die Themen selbst aber gewinnen eine eigene Geschichte und vollziehen eine Karriere von ihrer Entdeckung, ihrer Einführung, ihren Höhepunkten über eine Gewöhnungsphase bis hin zum Überdruß. 
(Nikki L., Gesellschaftliche Komplexität und öffentliche Meinung)

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