Dienstag, 28. Januar 2014

Die Welt sichtbarer machen! – Was kann eigentlich THEORIE!?

Theoretische Phänomenzugriffe zeichnen sich aus durch einen jeweils besonderen methodischen Zuschnitt:

TOTALISIERENDE Theorie greift (als theoretischer Riese) von oben in Richtung der am Boden liegenden Phänomene. Als wäre die Schlacht der Begriffsbestimmung schon geschlagen, stipuliert sie in apriorischer Manier die Gesetze und Regeln der Phänomene, fällt ohne vorheriges Verhör über sie das Urteil. Begriffsanalysierend – was immer noch die Suggestion einer Restempirie irgendwie inkorporiert – geht sie aus von Gegebenem: dem Begriff als, und das wird gesetzt, dem eindeutig zu Definierenden. Dass es im Begriff etwas gäbe, das eindeutig zu definieren sei – das ist das Dogma der so verfahrenden Theorie. Aber auch andersrum kann sie verfahren: Die Begriffe einfach aufrichten, setzen und hinstellen. Sie sucht nach dem DESITUIERTEN BEGRIFF. Von hier aus, dem desituierten, bestimmten Begriff, dem das Phänomen entweder entspricht oder eben eher nicht, werden Devianzen sichtbar: Das Andere, das im Begriff ausgeschlossene, die schlecht realisierte Idee, der ABFALL des BEGRIFFS. TOTALISIERENDE Theorie sympathisiert daher immer mit der Idee einer UNIVERSALEN GRAMMATIK. Allgemeine Regel. Apriorizität. Situationsunabhängiger Geltung. Immer also: die Einführung einer situationstranszendenten Referenz. („Ihr benutzt die falsche Grammatik!“)

Totalisierende Theorie versucht immer, Schluss, den Sack zuzumachen.


SITUIERTE Theorie dagegen beginnt immer irgendwo in der Mitte, bei einem Phänomen, einem Begriff und seiner Situation. Der Begriff ist hier etwas, das immer schon funktioniert, Stärken und Schwächen bei seiner Erprobung und Verwendung im Beschreibungsgelände erhält und offenbart, der mit der Zeit handlicher wird und auch für unerwartete Verwendung zur Verfügung steht. Begriffe sind hier lokale Entbergungswerkzeuge, Situations- und Augenöffner. Nicht jeder braucht zum Beispiel den Begriff der „Autonomie“, um zu erklären, was er ist und als rationaler Agent so macht. Aber manche, „nicht alle“, können damit etwas anfangen. NICHT ALLE brauchen dieselben Begriffe. Situierte Theorie verhilft also konkret situierten Situationsbewohnern zu lokaler Intellektion. Was jeweils irgendwo irgendwie ist, wird durch sie und mithilfe der durch sie bereitgestellten Begriffe besser sicht- und behandelbar. Sie konstelliert Gegenstände und Perspektiven um, macht Alternativen transparent, öffnet situative Latenzen: Was vorher nur möglich war, soll durch sie sichtbar werden. Situierte Theorie erzeugt daher auch keinen stabilen Corpus des Wissens. Sie stellt betroffenen Situationisten in ihren Begriffen Werkzeuge und Übungsroutinen bereit – Weltbewältigungs-Knowhow. Sie macht die Welt sichtbarer. 

Situierte Theorie bandelt, zettelt also immer irgendwas Neues an.    

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