Sonntag, 11. Dezember 2011

Debodiment oder joggender Panpsychismus? - Perspektiven




"Die meisten Menschen würden leichter dahin zu bringen seyn, sich für ein Stück Lava im Monde, als für ein Ich zu halten." -- Fichte 

Nach dem Verhältnis von Wort und Tat steht die Frage nach dem Verhältnis von Körper und Geist nach wie vor unbeantwortet im Raum. Luhmann schlägt vor, den Körper als Bedingung der Möglichkeit der "Einheit" des Bewusstseins zu beschreiben, das sich an seinem Körper von seinem Körper unterscheidet, der vom Bewusstsein als beweglicher Identifikationspol gewissermaßen überall mit hingeschleift wird, während sich der Körper im Bewusstsein als "vibrierende Kompaktheit" anzeigt. 
Da jede Bezeichnung eine Unterscheidung voraussetzt, innerhalb derer sie die eine und nicht die andere Seite bezeichnet, kann die Einheit der Gesamtheit der Gedanken nur mit Hilfe einer Unterscheidung in das System eingeführt werden. Die naheliegendste Vermutung ist, daß dies die Unterscheidung von Bewußtsein und Leben leistet, d.h. die Beobachtung der „eigenen" Körperlichkeit durch das Bewußtsein - eine Art Schwere oder vibrierende Kompaktheit der Befindlichkeit, die man jenseits aller Sonderzustände wie Müdigkeit oder Schmerz immer spürt und immer intentional beobachten kann, wenn man an sie denkt. Das Bewußtsein kann, anders gesagt, seine Gedanken nur durch Zuordnung zu diesem seinem leiblichen Leben zur Einheit aggregieren, und nur dadurch, daß es sich selbst zugleich von diesem Leben unterscheidet. Identifikation mit Hilfe des eigenen Leibes ist also gerade nicht: Identifikation mit dem eigenen Leib.
(Luhmann, Autopoiesis des Bewusstseins)
Retrogott dagegen votiert gegen eine vorschnelle Trennungen der Instanzen und verweist -- durch Heidegger inspiriert? -- auf den medialen Bewegungscharakter der Sprache, die irgendwo zwischen Seele und Leib angesiedelt zu sein scheint:
"Was ist deine Motivation, dich der Sprache zu bedienen?"
"Die Sprache selbst ist Motivation, die bewegt ja viel. Die Sprache ist Selbstbewegung. [...] Ich schreibe einen Text, weil ich Bewegung brauche. Schreiben und Laufen sind ähnliche Sachen. Schreiben ist eine sehr körperliche Angelegenheit, da ist Physik drin, so wie Tanzen. Ich denke nicht...ich schreibe nicht mit dem Kopf, ich schreibe mit der Hand mit Tinte auf Blätter, ich bewege mich dabei. Und beim Joggen hingegen denke ich auch mal was. [...] Was heißt das, seinen Kopf zu benutzen? Man benutzt so viel gleichzeitig. Man denkt immer "Schreiben --> Kopf", "Bewegen --> Körper". Aber das kann man nicht so einfach voneinander trennen. Manche Leute behaupten das vielleicht, Descartes hat das behauptet. Aber ich behaupte, dass Körper und Geist zusammengehören. Deshalb kann man das nicht so sehen, dass beim Schreiben nur der Kopf da ist. Jeder Autor hat auch einen Körper."
Merleau-Ponty schließt sich Retrogott an, bleibt dabei allerdings etwas diffus, fordert aber trotzdem, dass alles auf jeden Fall verbunden und die lebensweltlich-involvierte Beschreibungsperspektive gegen die positivistische Verkürzung der Welt in Stellung gebracht werden sollte.
Ein Cartesianer sieht nicht sich im Spiegel: Er sieht eine Gliederpuppe, ein >Äußeres<, von dem er mit Recht annimmt, daß die Anderen es in gleicher Weise sehen, das für ihn selbst ebensowenig ein Leib ist wie für die Anderen. Sein >Bild< im Spiegel ist eine Wirkung der Mechanik der Dinge; wenn er sich in ihm wieder erkennt, wenn er es >ähnlich< findet, so knüpft sein Denken an dieses Band. Das Spiegelbild ist nichts von ihm. [...] Unserer Philosophie bleibt nur noch übrig, die wirkliche Welt zu erkunden. Wir sind das aus Körper und Seele zusammengesetzte, es muß also ein Denken davon geben. [...] Die Philosophie, die noch zu schaffen ist, beseelt den Maler -- nicht, wenn er Ansichten über die Welt äußert, sondern in dem Augenblick, in dem sein Sehen zur Geste wird, wenn er, wie Cézanne sagt, "im Malen denkt".
(Merleau-Ponty, Das Auge und der Geist)

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