Dienstag, 5. Oktober 2010

Der Pierre, der Vogel, der Fliege, die Scharia

Neulich bin ich zufällig über eine Diskussionsrunde bei Maischberger (21.09.2010, nachzusehen auf http://www.daserste.de/maischberger/archiv.asp) gestoplert und dort unerwartet auf den jungen Konvertiten Herrn Pierre Vogel gestoßen.
Der gute Vogel, ein echter junger Kölner, hat mit Mitte zwanzig seine Boxkarriere an den Nagel gehängt, um jetzt als islamischer Prediger zu arbeiten. Das tut er vor allem über einen Verein, der sich selbst "Einladung zum Paradies" nennt. So weit, so unspektakulär, sollte man denken. Aber beim Sehen der Sendung wurde ich zusehends irritierter. Der Vogel ist radikal konservativ, klar, er wünscht sich die Einsetzung der Scharia an Stelle des Grundgesetzes, grenzwertig vielleicht, aber unter Umständen nachvollziehbar, er ist ein symphatischer, freundlicher, vielleicht etwas jovial auftretender, junger Mann, der seinen Glauben offenbar sehr ernst nimmt.
Wer glaubt, macht Unterschiede. Das wollen seine Mitdiskutanten nicht gerne hören. "Toleranz.", sagen die. "Ja, sie machen da doch Unterschiede". Der Fliege (der als "Fernsehpfarrer" vorgestellt wird) gesteht zu, ja, das würde ja nun auch auf die anderen Religionsgemeinschaften zutreffen. Hm, ja, was machen wir denn dann? Irgendwann taucht nochmal traurig und mit hängenden Schultern das Wort "Toleranz" auf, trottet dann aber hilflos wieder von dannen. Der Vogel lächelt. Er weiß irgendwie, dass er gegen diese Pappnasen gut ankommt. Er kämpft ja gegen einen terroristischen Islam, er kämpft ja gegen Ehrenmorde. Das macht er ja alles. Was soll man dagegen denn sagen? Mir wäre auch nichts eingefallen.

Ich begab mich also auf die Suche nach dem Vogel, am Fliege vorbei stieß ich auf eine ganze Reihe von Youtube-Videos über und mit und gegen Vogel. Metaphysische Streitereien um eine korrekte Koran-Auslegung, die Frage, ob Allah nun zwei Hände hat oder nicht, oder ob er oben oder unten ist. Die anderen Muslime werfen Vogel vor, er vergleicht den Schöpfer mit der Schöpfung, das geht echt definitiv nicht!, deshalb ist der Vogel selber ein Kafir (ein Ungläubiger, und die werden ja bekanntlich allesamt in der Hölle schmoren). Klar. Der Vogel battlet zurück, auch gegen RTL, das in einer Reportage ein bisschen über die Strenge geschlagen hatte. Mir dreht sich langsam schon der Kopf von so viel hochgeistiger Kontroverse. Ich will jetzt abschalten... Da stoße ich zufällig auf dieses kleine Stück hochraffinierter Videokunst: ein Feuerwerk an Schnitt- und Verfremdungstechniken, das das Mysterium der Wiederholung bis ins Letzte (und weit darüber hinaus) herausprovoziert:



Solche Formen subversiver Untergrundkultur können nur milde stimmen.

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