Samstag, 11. Dezember 2010

Des Universitators gescheite Rhetorikschule - Part II: Die Blickkontrolle

(Quelle: http://www.christianlendl.com/ )
Mit seinem neuen, légèren Blick zwischen den Ohren sitzt der Universitator - zunächst abwartend und still - in seinem römischen Lieblingscafé: die elegante junge Frau hat ihn bis jetzt noch nicht gesehen. Er zückt sein Leder-Schreibe-Futteral und gibt sich müde bis nachdenklich-versunken, hält den Kugelschreiber kurz an den Mund, blickt unvermittelt zum Fenster, als habe er gerade eine prima Idee. Der Universitator weiß genau, wie das abgeht: Es ist die Suggestion von interessierter Abwesenheit, die den Ehrgeiz seines Gegenüber todsicher provoziert.  Er lehnt sich souverän zurück und wartet jetzt nur noch ab, was passiert...

Der Universitator war in den letzten Monaten für Sie auf Recherche-Tour, um Ihnen die Geheimnisse der Blickkontrolle taufrisch aufzutischen. Hier sind seine drei unbestechlichen Regeln für Ihre persönliche "Ökonomie der Blicke":

Regel 1: Ihre Blicke sind der Schlüssel! Vergessen Sie alles, was Sie bei Axel Honneth über "Unsichtbarkeit" gelernt haben, und machen Sie sich klar: Erschütterbare Personen reagieren stets sensibel bis verängstigt auf aggressives Desinteresse. Wenn Sie also jemanden mit garantiertem Erfolg dazu bringen wollen, sich noch bis zum nächsten Frühstück Sorgen darüber zu machen, was er Ihnen gegenüber falsch gemacht haben könnte: ignorieren Sie ihn, sobald er den Raum betritt! Mein Tipp (vor allem für Fortgeschrittene): Den größten Erfolg haben Sie, wenn Sie Ihren Blick zunächst in Richtung der Türe halten, durch die Ihr Opfer eintreten wird. Drehen Sie dann - kurz bevor sich Ihrer beider Blicke treffen würden - Ihr Gesicht ruckartig weg (unbedingt zuvor vor dem Spiegel üben, Fehlergefahr!) oder beginnen Sie im selben Moment unvermittelt ein Gespräch mit Ihrem Nebensitzer. Ich verspreche: Die Wirkung Ihrer heimlichen Intervention wird Sie überwältigen!

Regel 2: Ihre Blicke verraten Ihre Schwächen! Wenn Sie vor einem größeren Publikum sprechen, vermeiden Sie tunlichst, sich auf diejenige Person zu konzentrieren, deren Wertschätzung Ihnen am wichtigsten ist. Zu viele Blicke verraten immer Ihre Abhängigkeit! Aber Vorsicht! Blicke aus dem absoluten Off oder ins mentale Nirgendwo hinterlassen schnell den Eindruck, dass bei Ihnen nicht mehr alle Blätter am Baum hängen. Verteilen Sie Ihre Aufmerksamkeit also stets gleichmäßig und gutmütig in alle Richtungen.

Und die wichtigste aller Regeln, Regel Nummer 3: Zeichnen Sie mit Ihren Blicken aus! Wer die Preise der eigenen Blicke in die Höhe treiben will, muss den Eindruck erwecken, dass sie rare Ware sind. Grundsätzlich gilt es, hier drei Blick-Typen zu unterscheiden:  

Typ 1 - Der unsicher-verlegene Typ: sein Blick bleibt beim Gehen meist auf den Boden gesenkt, direktem Blickkontakt weicht er - wann immer er kann - aus, um anderen Platz zu lassen. Fazit: Ihn können Sie mit ein paar einfachen, forschen Anblicken aus dem Game schleudern! Typ 1 ist ein hoffnungsloser Fall.  

Typ 2 - Der freundlich-involvierende Typ: sein offener Blick signalisiert Kommunikationsbereitschaft, ist einladend und zugänglich. Dabei wird er allerdings leicht zum ausgenutzen Dussel ("mit dem man´s ja machen kann").  Fazit: Wenn Sie selbst einer von dieser Sorte sind: Eignen Sie sich die Regeln 1-3 so gut Sie können an. Wenn nicht, verwenden Sie alle Regeln so gut Sie können gegen das freundliche Gehabe von Typ 2. 

Typ 3 - Der auszeichnend-distinguierende Typ: Typ 3 unterscheidet mit seinen Blicken zwischen Wert und Unwert. Einen registrierenden Anblick von ihm muss man sich erarbeiten. Dabei schätzt Typ 3 stets kontext-sensitiv ab, wann es am Platze ist, Anerkennungsnoten zu verteilen. Fazit: Wenn Sie selber so einer sind: Weiter so! Für alle anderen gilt nachdrücklich Regel 1.

2 Kommentare:

  1. falls du dich an richard erinnerst...
    http://ars-amandi-mentoring.blogspot.com/2010/08/die-dame-aus-dem-seminar.html

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  2. Ohja, genauso! Demnächst gibt´s dazu hier: "Ars Formulandi: Eine Kritik der geheimnisvollen Betonung".

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