Freitag, 16. März 2012

Morphologien des Frühlings: Die Verwegenheit des Eisverzehrs

Ausgehend von Deleuze´ und Guattaris Überlegungen zum "organlosen Körper" macht sich Jean Clam Gedanken über Symbolisierung und Erzeugung der spezifischen Form von "Begehrlichkeit", die in unserem Kulturkreis vorzuherrschen scheint. Ausgehend von Ovid zeichnet er die Entstehung und Entwicklung dieser "Nacktheit/Begehrlichkeit/Weiblichkeit als ein Körper/Weib/Werden" nach, verfolgt mithilfe einer kreativen Phänomenologie das Spiel der "Weib/Körper/Nacktheit-Wolke", die unsere Welt bewirbelt.
(Eisschmelze; [Roman Duerr, CC BY-NC 2.0])
Die Weib/Körper/Nacktheit-Wolke wirkt in allem, was sich von ihr durchziehen und bewirbeln lässt, als Weltagencement. Dieses setzt an allen Weltregionen und -gegenständen an, taktet sie in den Sog, Klang, Tanz, in die "Ritournelle" der Begehrlichkeit hinein, bringt an ihnen die Resonanz eines schematischen Grundgleichklangs zum klingen. Das Feld der belegend beschreibenden Analysen wäre hier grenzenlos: In jedem Hörnchen Eis pocht dieses Werden, das es "klanglich" transformiert, ummetaphorisiert, umnebelt, umenergetisiert, umartikuliert. [...]
In seinen Formen und Farben, im sonnigen Nachmittag, der es in den lässigen Gängen durch eine durchbefriedete und von Wohligkeit beschwingte Innenstadt hervorwünscht, wirkt die Metapher des Eisverzehrs als Werden eines am Weiblichen orientierten Genussagencements. Dieses ist Bildung von Haecceitates zu augenblicklichen Ganzheiten, zu Zusammenhängen von Geschwindigkeiten und Langsamkeiten; von Kugeln, Rundungen von Farben, Essenzen, Geschmacksqualitäten und -intensitäten, Kurvigkeiten von geschmeidigen Leckmassen, übereinander gelagert, fallend, dreistöckig, verfolgbar, körperschematisch, mit Händen und Zunge. Der Eiskegel ist ein invertierter (leckender, saugender) Mund, ein inneres Hüftefassen, -nachbilden, -streicheln, ein Bedrücken von geschmeidigen und feuchten Massen, die lustvoll nachgeben, nach einem von Genießenslangsamkeiten bestimmten Rhythmus der Wahrnehmung und der Berührung. Ice Cream/I scream.
(Jean Clam, Die Gegenwart des Sexuellen. Analytik ihrer Härte)

8 Kommentare:

  1. Is there a gendered perspective on "Ice Cream/I scream", too?

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  2. "Inständigkeit des Sexuellen oder inständige Sexualität ist nicht "gendered". Sie kann männlich, aber auch weiblich sein." (Ebd.)

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  3. So schreiend müsste man die Welt erleben. Jedoch sollte man?

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  4. Moral ist einfach und auch was richtig tolles.
    Ist Gendern ähnlich?

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  5. "Sie [die Science Fiction Erzählung] läßt die Wissenschaft, und besonders die technischen Medien, direkt die logistische Rolle spielen, die ursprünglich die erste Frau innehatte. [...] In der Dynamik der Welt ist die Abweichung der Verführung also bereits angelegt, und die Frau ist dabei nicht besitzergreifend, besessen oder besitzend, sondern anziehend: ihre Anziehungskraft ist in Wirklichkeit Schwerkraft, Gewicht der Welt, axis mundi. Sie beherrscht die Übergänge und hat bisher wirklich alles organisiert, was Geschwindigkeit ist; alles, was im Leben der Menschen an der Bewegung teilhat, gehört zu ihr oder konkurriert mit ihr." ("Lustige" Gendersammlung #1)

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  6. Wegen Woody Allen12. April 2012 um 23:45

    “To love is to suffer. To avoid suffering, one must not love. But then, one suffers from not loving. Therefore, to love is to suffer; not to love is to suffer; to suffer is to suffer. To be happy is to love. To be happy, then, is to suffer, but suffering makes one unhappy. Therefore, to be happy, one must love or love to suffer or suffer from too much happiness.”

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