Freitag, 19. Oktober 2012

Das Vorurteil der Sprache


Dass die Welt überhaupt etwas ist, das in der Form von Urteilen erfassbar sein könnte, ist - das haben andere auch schon gesagt - natürlich ein Vorurteil. Dass die Sprache "das Haus des Seins" sei, das Sein also in der Sprache wohne (das Sein als Mieter oder Eigentümer des Hauses des Seins!?), wurde auch schon gesagt. Aber dann leider zu wenig darüber, ob das Sein nicht gelegentlich auch sein Haus verlässt, um zum Beispiel Besorgungen zu machen oder Freunde zu treffen (Kronos und Uranos zum Beispiel). 

Aufstand des Unbestimmten: "Nebel zieht auf"
(afrique_unite; CC BY-NC-SA 2.0)
Manche wollten die Sprache lieber als Aussatz der Welt beschreiben: nur in sich selbst, dynamisch-differentiell brächten die flottierenden Zeichen miteinander gegeneinander Sinn hervor - als einen Effekt der driftenden Unterscheidungen, in sich zwar bewegt, aber ohne jeden Kontakt zur "Außenwelt". Jedes Zeichen habe dann den Sinn, dass es die Summe der Negationen aller anderen Zeichen sei oder anzeige (oder auch im Anzeigen gerade nicht anzeige ("huuu, ich habe ein Paradox formuliert.")). Mindestens eine Zwei-Reiche-Lehre also: Aller Sinn ist drinnen in der Sprache, aber draußen aus dem Sein. Die Sprache steht zwar vor der Tür ("vor dem Gesetz"), darf aber nicht hinein, und vertreibt sich derweil durch sich selbst die Zeit: DIE Sprache als DER Zeitvertreib.

Wer von der anderen Seite aus auf die Sprache zugeht, der kann zu bemerken glauben, dass die Sprache selbst das eigentliche Vorurteil ist. Überhaupt, die Vorstellung des Urteils als das zentrale Vehikel der Erkenntnis von Welt: "Die Welt ist alles, was der Fall ist, Sherlock." Was ist das aber dann, was nicht der Fall ist? Nicht nichts? Und wie eigentlich? Nicht "der Fall" oder "nicht der Fall"? Sinn muss nicht immer schon in der Sprache liegen: Die Sprache ist die Hängematte des Seins, in ihr ruht es sich aus, wenn es abends - von der Ereignung der Ereignisse müde - nachhause kommt. 

Wer aber dennoch einmal das seltene Glück hat, mit ihm unterwegs zu sein, der sollte das Ereignis auf keinen Fall versäumen. Schon bei der ersten Berührung kann sie oder er bemerken, dass zum Beispiel jetzt gerade nicht einfach nur irgendwelche Gegenstände in platt-konkreter und eindeutiger Benennbarkeit um sie herumliegen, sondern schon das 
"jeweils aktiv Bewußte und korrelativ das aktive Bewußthaben, Daraufgerichtet-, Damitbeschäftigtsein immerfort umspielt von einer Atmosphäre stummer, verborgener, aber mitfungierender Geltungen [ist], von einem lebendigen Horizont, in den sich das aktuelle Ich auch willkürlich hineinrichten kann, alte Erwerbe reaktivierend, apperzeptive Einfälle bewußt ergreifend, in Anschauungen wandelnd."
(Husserl, Krisis)  
Eine Fingerübung zur Vorbereitung der "Neuen Magie". 

1 Kommentar:

  1. Unterwegs zur Sprache sucht Sein ein Wirds?-Haus. Vielleicht hat Heideggers Seyns-Denken im Kern das gemeint.

    AntwortenLöschen