Dienstag, 26. Juni 2012

Regeln für die Ratiofarm - Ein vorweggenommener Antwortbrief auf einen nicht abgeschickten Fragebrief

"Anything goes --
but most of it sucks."
Aufschrift über dem Eingangsportal zur Ratiofarm
("Spielräume")
Die Ratiofarm ist eines der größten Formgehege der Welt: Ratiokulturen, -Bereiche, -Parteien gedeihen hier Seite an Seite. Ob philosophische Kleingärtnerlaube, argumentativer Wildwuchs oder thetische Brachialkultur, theoretische Zierpflanze oder pamphletiger Preiskürbis -- verboten ist nichts in den weitläufigen Gefilden der Ratiofarm. Freies Feld für freie Spiele freier Spieler, lautet eine ihrer Grundmaximen. Nur zeigte sich schnell, schon nach zweitausend ersten Jahren Probephase: die meisten der gespielten Spiele sind von kaum langer Faszinationsdauer. Zu banal die Regeln, zu wenig interessant die Mitspieler, zu wenig immersiv die Spielanlage -- die Spiele steril. Dass nicht alle bei allem mitspielen wollen war hier nie das Problem. Ein Spiel, für das sich heute keine Spieler finden, kann schon morgen grosso modo große Mode sein -- und übermorgen wieder unbeliebter. Manches bleibt wie Tetris oder Monopoly: hier reicht, wenn nur die Farben wechseln, Trikot- und Plätzetausch, oder zwei seit Jahrtausenden werfen eine Frisbee her und weg -- und wieder her:
Die Bewegung, die Spiel ist, hat kein Ziel, in dem sie endet, sondern erneuert sich in beständiger Wiederholung. Die Bewegung des Hin und Her ist für die Wesensbestimmung des Spieles offenbar so zentral, daß es gleichgültig ist, wer oder was diese Bewegung ausführt. Die Spielbewegung als solche ist gleichsam ohne Substrat. Es ist das Spiel, das gespielt wird oder sich abspielt - es ist kein Subjekt dabei festgehalten, das da spielt.
(Gadamer, Wahrheit und Methode)
Wem das zu eintönig wird, der lässt das Spielen bleiben. Und wer sich nur genötigt fühlt, zerstört das Spiel durch oberflächliche Mitspielung ("Der hat mir böse mitgespielt."), moniert mit mäßiger Miene, der spielt die Bälle dann >ironisch<. 
Wer das Spiel nicht ernst nimmt, ist ein Spielverderber. Die Seinsweise des Spieles läßt nicht zu, daß sich der Spielende zu dem Spiel wie zu einem Gegenstande verhält. Der Spielende weiß wohl, was Spiel ist, und daß, was er tut, >nur ein Spiel ist<, aber er weiß nicht, was er da >weiß<. 
(Ebenda) 
Aber auch ein zu verkrampfter Spieler kann einem die guten Spiele verderben. Klar, auch auf der Ratiofarm spielen -- wie überall -- die meisten Langeweile. Geringe Freiheitsgrade, suchen die besten Punktestände, wollen Sieger und Verlierer wissen und am Ende Medaille und Siegerurkunde symbolisch oder fantasierten Eltern auf Küchentischen platzieren: Kapitale sammeln. Auch das muss ja nicht sein:
The race is on, but I won´t compete in this competition, because i have a greater mission.
"Finde die Regel"
Spannend werden Spiele auf der Ratiofarm am Rand. Experimentierende Spieler treffen sich hier und kennen selbst zu ihrem Spiel die Regel nicht [Kant: ästhetische Idee], spielen aber auch nicht ohnesinn. Nur gerade eben so, dass keiner die Regel weiß, Spiele mit unscharfen Rändern "in einer Welt, deren Verkehrsregeln zwischen den Verkehrsteilnehmern erst beim Fahren ermittelt werden" (Sloterdijk).
Wir könnten uns doch sehr wohl denken, daß sich Menschen auf einer Wiese damit unterhielten, mit einem Ball zu spielen, so zwar, daß sie verschiedene bestehende Spiele anfingen, manche nicht zuende spielten dazwischen den Ball planlos in die Höhe würfen, einander im Scherz mit dem Ball nachjagen und bewerfen, etc. Und nun sagt Einer: die ganze Zeit hindurch spielen die Leute ein Ballspiel, und richten sich daher bei jedem Wurf nach bestimmten Regeln.
Und gibt es es nicht auch den Fall, wo wir spielen und - "make up the rules as we go along"? Ja auch den, in dem wir sie abändern - as we go along.
(Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen)

15 Kommentare:

  1. Danke für den wunderschönen Post!!!

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  2. "Der Spielende weiß wohl, was Spiel ist, und daß, was er tut, >nur ein Spiel ist<, aber er weiß nicht, was er da >weiß<."

    Es kommt beim Spiel auf die Dassheit des Spiels an, weshalb es nicht nur egal ist, was man spielt, sondern auch, was ein Spiel ist.

    Daher liegt es nahe, eine Kommunikationstheorie nur von der Operativität der Dassheit her aufzufassen, was auch für die Möglichkeit ihrer Erklärbarkeit gilt: sie muss gespielt werden, damit sie verstanden werden kann.

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  3. Das kann man so sehen (wenn man irgendwie muss, who knows why), aber es gibt Klügeres und Undogmatischeres, was man sagen kann. Das ist dann oft interessanter.

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  4. "aber es gibt Klügeres und Undogmatischeres, was man sagen kann" - nein. das ist ganz unmöglich. was sollte das sein?

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  5. Also, ich wüsste was.

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  6. muss es wahr sein? Es könnte ja auch schwarz, dunkel oder süß sein!

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  7. Antworten
    1. Brauchst nicht so zu schaun. Brauchs mich gar nicht so anzuschaun. Wehenn ich dich unwirsch, kannsch schtu dein plaues Wund erererlebm. Sie bahauerte auf mich drauf, meine O liefen davon, liefen blau on. Das kam ganz vom Kraut. Wirsch. Ingleton. * Bimme * Billing* Woschinken DC

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